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Bauwerkintegration

Sonne senkt die Kosten

Die Bauwerkintegration der Photovoltaik (BIPV) ist schon seit vielen Jahren ein Thema in der Architekturbranche. Zwar steigt die Nachfrage. Von einem Durchbruch ist man aber immer noch weit entfernt, obwohl sich vor allem eine jüngere Architektengeneration aufgemacht hat, den Klimawandel in ihren Arbeiten zu berücksichtigen.

Doch auch diese Architektengeneration kann nicht über den Schatten springen, den eine riesige Bürokratie wirft. Das zeigte sich auch auf dem diesjährigen Symposium Solares Bauen, das der Schweizer Branchenverband Swissolar in Zürich organisiert hat.

Viele Pilotprojekte

„Architekten erkennen, dass Fassaden energiepositiv sein müssen“, sagt Adrian Berger, Architekt des Mehrfamilienhauses Solaris in Zürich. Das Gebäude ist ein echter Leuchtturm. Unweit des Zürichsees hat Adrian Berger mit Projektpartnern ein neues Konzept umgesetzt und das Gebäude komplett mit Solarmodulen eingekleidet. Die Module – abgestimmt auf die Umgebung, indem ihre Oberfläche die Wellenbewegungen des Zürichsees aufnimmt – wurden eigens für das Gebäude hergestellt. Die ziegelroten Solarmodule wurden mit einem speziellen Frontglas bestückt.

Die Oberfläche dieses Frontglases ist mit prismenförmigen Rillen strukturiert, sodass auch bei geringer Sonneneinstrahlung Streulicht auf die dahinterliegenden Solarzellen geworfen wird. Dadurch können die Ertragseinbußen auf ein Minimum reduziert werden – trotz des dünnen Digitaldrucks, der die Solarzellen verschattet.

Das Gebäude wurde 2017 fertig. „Damals, vor sechs Jahren, hatte ich gesagt, jetzt geht es los“, sagt Berger mit Blick auf die Stimmung in der BIPV-Branche. „Doch heute würde ich das genau so wieder sagen.“ Der Durchbruch ist ausgeblieben. Es gibt viele Projekte im Städtebau. Diese gelten aber immer noch als Pilotprojekte.

Prozesse standardisieren

Eine Herausforderung sind die Hürden, mit denen die Architekten immer noch kämpfen. Diese sind vielfältig und nicht nur administrativer Natur. „Es ist vieles machbar, aber es gibt kaum standardisierte Prozesse und Systeme“, benennt Nadia Vontobel eine der Hürden.

Die Züricher Architektin hat in der Südschweiz ein Einfamilienhaus errichtet, das selbst im Winter mehr Energie erzeugt, als vor Ort verbraucht wird (siehe Kasten Seite 16). Das geht mit einer intelligenten Anlagensteuerung, der Nutzung des Solarstroms für Wärme und Mobilität und dem richtigen architektonischen Konzept. Dann werden solche Projekte durchaus auch wirtschaftlich.

Doch auch dies ist vor allem ein Vorzeigeprojekt, das hoffentlich viele Nachahmer findet. In der Regel sind es vor allem große Überbauungen, finanziert von potenten Investoren, die den Strom vor Ort auch nutzen können.

Es müsse aber auch möglich sein, dass kleine Investoren Solarfassaden und Solardächer realisieren können, sagt Adrian Berger. „Bisher rechnet sich das monetär noch nicht. Es ist noch kein Geschäftsmodell, außer man baut in großen Arealen, in denen der produzierte Strom gleich verwendet werden kann“, weiß der Züricher Architekt.

Eigenverbrauch ist wichtig

Für kleinere Investoren rechnet sich das nicht. „Der Eigenverbrauch ist wichtig. Wenn der Strom vor Ort verbraucht werden kann, ist auch die Solarfassade wirtschaftlich. Sobald der Strom ins Netz eingespeist werden muss, werden die Projekte unwirtschaftlicher“, berichtet Adrian Berger aus der alltäglichen Praxis. „Wir haben es oft erlebt, dass wir Projekte bearbeiten, bei denen zunächst mit viel Photovoltaik angefangen wurde. Die Photovoltaik wurde im Laufe der weiteren Projektplanung immer weiter verkleinert, bis es sich aufgrund des Eigenverbrauchs rechnet.“

Hier spielt natürlich auch die Sektorenkopplung eine zentrale Rolle, wie sie Nadia Vontobel umgesetzt hat. Doch selbst dann bleibt bei ihrem Gebäude noch Sonnenstrom übrig – selbst im Winter. Denn die solare Gebäudehülle produziert 681 Prozent des Jahresbedarfs im Haus. Deshalb muss es eine Lösung für die Vergütung der Stromüberschüsse geben, sodass die Netzeinspeisung nicht zum Hindernis wird.

Betrieb des Gebäudes einrechnen

Ein Ansatz wäre hier der Vertrieb innerhalb von Quartieren zu geringeren Netzentgelten, wie es in Österreich inzwischen möglich wird. Adrian Berger plädiert für ein sogenanntes Netmetering-Modell. Dabei fungiert das Netz als Speicher. Eingespeiste Strommengen kann der Anlagenbetreiber oder Hauseigentümer wieder aus dem Netz ziehen.

Er zahlt dann für diesen Strom eine Netzgebühr, die die Funktion des Netzes als Speicher abdeckt. Dann werden solche Projekte wirtschaftlich und auch umgesetzt. Denn eine Absenkung von Umweltstandards als Antwort auf die Baukrise ist überhaupt nicht notwendig, wenn der Betrieb des Gebäudes mit im Blick bleibt.

Im Gegenteil: Angesichts der Klimakrise ist es dringend notwendig, dass die Gebäude klimaneutraler werden – sowohl mit Blick auf das Baumaterial als auch beim Betrieb. Wie das geht, hat Sandro Infanger, Abteilungsleiter Nachhaltigkeit bei Senn Technology, beschrieben. Der Gebäudetechniker aus St. Gallen hat zusammen mit den Bauherren und den Architekten in Basel das Energiekonzept eines Neubauquartiers entwickelt.

3,62 Megawatt in der Hülle

Dieses basiert auf Solarstrom. Entscheidend bei diesem Projekt war, dass der Gebäudebetrieb innerhalb einer Generation die Energie wieder einspielt, die in die Erstellung geflossen ist. Diese sogenannte graue Energie kann aber nur mit der Nutzung von selbst produziertem Solarstrom amortisiert werden.

Dies gelingt auch mit einer üppigen Solarisierung der Gebäudehüllen. So werden allein in den jetzt schon geplanten und fertiggestellten Gebäuden im Quartier 3,62 Megawatt Solarleistung aufgebaut.

Diese liefert jährlich über 3,2 Gigawattstunden Strom, bei einem Verbrauch im Quartier von 2,9 Gigawattstunden jährlich. Um den Sonnenstrom auch nutzen zu können, werden noch Batteriespeicher installiert. Die endgültige Größe steht noch nicht fest.

Solaranlage spielt Energie wieder ein

Fest steht aber schon das Wärmekonzept, das ebenfalls auf Solarstrom beruht. „Wir legen dazu ein Wärmenetz mit Erdsonden an. Damit können wir die Energie auf dem Gelände nutzen“, erklärt Sandro Infanger. Außerdem beinhaltet das Projekt auch ein Parkhaus, in dem 82 Ladestationen für Elektroautos installiert werden. „So können wir die Spitzen der Stromerzeugung abschneiden“, sagt Infanger.

Auf diese Weise können die Gebäude die Energie beim Bau wieder amortisieren. Sandro Infanger hat es für eines der Gebäude durchgerechnet. 1.320 Kilowattstunden Energie fallen pro Quadratmeter Nutzfläche beim Bau an. Das ist wenig. Die Architekten haben dies geschafft, indem sie beim Bau auf nachhaltige Materialien zurückgegriffen haben, die möglichst wenig Energie verbrauchen

und einen geringen CO₂-Ausstoß verursachen. So wurde ein Gebäude aus Holz und Lehm gebaut. „Wir haben sehr stark auf Ökologie geachtet, jede Schraube bilanziert und geschaut, ob man nicht eine andere Lösung mit einem geringeren Energieverbrauch und CO₂-Fußabdruck findet“, erinnert sich Infanger.

Dank der Eigenversorgung und des niedrigen jährlichen Energiebedarfs von 22 Kilowattstunden pro Quadratmeter haben die Solaranlagen ­

innerhalb von 27 Jahren so viel Strom erzeugt, wie an Energie in das Gebäude geflossen ist. Architektonisch ist dies allerdings eine Herausforderung. „Die Architekten wollten transparente Module. Aus Kostensicht wollten wir das aber nicht“, erinnert sich Sandro Infanger. „Denn wenn wir keine Standardmodule nehmen, explodieren die Kosten. Deshalb haben wir auf Standardmodule zurückgegriffen.“

Natürlich kann man sich darüber streiten, ob das schön aussieht. Doch auf diese Weise entstehen Gebäude, die nachhaltig und bezahlbar sind.

Bausubstanz weiter nutzen

Ein anderer Weg der nachhaltigen Architektur zu geringen Kosten ist, die vorhandene Bausubstanz weiter zu nutzen. Wie so etwas funktioniert, haben SPPA Architekten zusammen mit dem Glashersteller Kromatix und dem Fassadenbauer Ernst Schweizer gezeigt.

Denn sie haben ein altes Gebäude aus den 1960er-Jahren energetisch und architektonisch auf den neusten Stand gebracht. Das Gebäude wurde 1963 für die Schweizerische Unfallversicherung (Suva) gebaut – daher stammt auch noch der Name Suva-Haus.

Im Rahmen einer Totalsanierung sollte es zum energetischen Leuchtturmprojekt umgebaut werden. „Es steht zwar nicht unter Denkmalschutz, doch wir behandeln alle Gebäude im Bestand, mit denen wir uns beschäftigen, als wären sie geschützt“, erklärt Projektleiter und Architekt Alexander Janeck den Grundsatz von SPPA Architekten. „Wir haben zunächst eine Machbarkeitsstudie erstellt. Diese war die Grundlage für die Suva, das Gebäude zu revitalisieren.“

Wärmepumpe heizt und kühlt

Diese Revitalisierung betraf nicht nur die Fassade, die mit so viel Photovoltaik wie möglich ausgestattet werden sollte, sondern auch die Nutzerseite. Die Haustechnik wurde auf den neusten Stand gebracht. So übernimmt jetzt eine Seewasser-Wärmepumpe die Heizung und Kühlung – angetrieben vom Strom aus den Solaranlagen in der Gebäudehülle.

Schließlich steht das Gebäude in unmittelbarer Nähe des Züricher Sees. Damit die Wärmepumpe nicht zu viel Energie verbraucht, wurde das ungedämmte Gebäude gut eingepackt und die Dreifach-Isolierverglasung sorgt ebenfalls für geringe Wärmeverluste.

Module schimmern in verschiedenen Farben

Die Fassade haben die Architekten maßgetreu erhalten. Sie haben die bisherigen Glaselemente in den Brüstungsbändern unter den Fenstern durch Solarmodule ersetzt. Anforderung war, dass die Solartechnik nicht zu sehen ist und die Module sich farblich an den bisherigen Bestand anlehnen. Dies ist gelungen mit speziellen Modulen, die mit Kromatix-Technologie beschichtet sind.

Diese reflektiert nur das Wellenspektrum des Sonnenlichts, das für die Wahrnehmung der Farbe durch das menschliche Auge maßgeblich ist. Das restliche Sonnenlicht lässt die Beschichtung zu den Solarzellen durch. Auf diese Weise bleibt das Maximum an Leistung der Solarmodule erhalten.

Zusätzlich wurde noch ein schmaler Dachaufbau realisiert. Dieser reicht zwar nicht bis an die Dachkante heran, ist also von unten nicht einsehbar. Dennoch sollte er architektonisch ansprechend gestaltet werden, da er von den umliegenden Gebäuden aus durchaus zu sehen ist.

Auch hier haben die Architekten auf Kromatix-Module zurückgegriffen. Diese sind allerdings nicht mehr glatt, sondern sehr stark strukturiert und haben so die Optik von Steinplatten. Je nach Sonneneinstrahlung schimmern sie in einem Farbspektrum von Dunkelblau bis Hellgrau.

Sonnenstrom vor Ort nutzen

Dadurch geht zwar einiges an Modulleistung verloren. Doch diese Verluste werden wieder durch die Dachanlage wettgemacht. Denn der Teil des Daches, der nicht vom Aufbau belegt wird, sowie das Dach des Aufbaus selbst wurden begrünt. Zusätzlich wurde noch eine solare Gründachanlage mit Standardmodulen aufgebaut, die jede Menge Strom liefern.

Auf diese Weise kann die Gebäudehülle jedes Jahr etwa 159 Megawattstunden Solarstrom erzeugen. Bei einem Energiebedarf für Strom, Heizung und Warmwasser von 187 Megawattstunden pro Jahr ist das Gebäude jetzt – zumindest rein rechnerisch – zu 85 Prozent autark.

Allerdings gehen die Planer von einem Eigenverbrauch von etwa 59 Megawattstunden pro Jahr aus. Die restlichen 100 Megawattstunden Solarstrom werden ins Netz fließen.

Das Gebäude zeigt dennoch, was mit der Solarisierung der Hülle möglich ist – selbst im innerstädtischen Kontext. Voraussetzung ist und bleibt aber die möglichst üppige Nutzung des Sonnenstroms vor Ort.

Bei der Sanierung des Suva-Hauses in Zürich ging es darum, die alte ­Fassadenstruktur zu erhalten. Die einstigen Glaselemente wurden durch Solarmodule ersetzt.

Foto: Velka Botička

Bei der Sanierung des Suva-Hauses in Zürich ging es darum, die alte ­Fassadenstruktur zu erhalten. Die einstigen Glaselemente wurden durch Solarmodule ersetzt.
Der Weg aus der Baukrise führt über die Betrachtung der ­Gesamtkosten – inklusive Betrieb. Ohne Solarisierung geht das nicht.

Foto: Velka Botička

Der Weg aus der Baukrise führt über die Betrachtung der ­Gesamtkosten – inklusive Betrieb. Ohne Solarisierung geht das nicht.
Sieht gut aus: Das strukturierte ­Deckglas des Moduls schimmert in unterschiedlichen Farben – je nach ­Lichteinfall und ­Betrachtungswinkel. Im Suva-Haus wurde es für den ­Dachaufbau konzipiert.

Foto: Velka Botička

Sieht gut aus: Das strukturierte ­Deckglas des Moduls schimmert in unterschiedlichen Farben – je nach ­Lichteinfall und ­Betrachtungswinkel. Im Suva-Haus wurde es für den ­Dachaufbau konzipiert.
Durch die Kromatix-Technologie verschwindet die Solartechnik hinter der Frontscheibe der Module fast vollständig.

Foto: Velka Botička

Durch die Kromatix-Technologie verschwindet die Solartechnik hinter der Frontscheibe der Module fast vollständig.

Carbon Heat

Solarisierung und Elektrifizierung der Gebäude gehen Hand in Hand

Carbon Heat aus Berlin bietet spezielle Heizsysteme auf der Basis von Infrarottechnik. Diese elektrischen Direktheizungen erfüllen gemäß Gebäudeenergiegesetz die 65-Prozent-Regel für erneuerbare Energien. Als Material kommt der Verbundwerkstoff NTHX 5.0 zum Einsatz.

Die Heizsysteme für Wände, Decken und Böden sind wartungsfrei, der Hersteller gibt 20 Jahre Garantie. Der Wirkungsgrad der Wärmemodule erreicht bis zu 98 Prozent, sie strahlen die Energie gleichmäßig in den Raum ab.

Investition für ein Einfamilienhaus (KfW 40, 150 Quadratmeter):

Carbon Heat verknüpft Photovoltaik mit Sektorkopplung und bietet Solarmodule,b-anlagen oder -parks sowie ergänzende Lösungen für die Energieversorgung. Hausbesitzer erhalten sämtliche Komponenten für die unabhängige Stromproduktion: Solarmodule, Unterkonstruktionen, Stromspeicher, Stromcloud und spezielle Stromtarife.

Nadia Vontobel Architekten

Winter-Plusenergiehaus in der Südschweiz

Solare Gebäude werden wirtschaftlich, wenn sie genügend Energie produzieren, um sich selbst zu versorgen. Die Züricher Architektin Nadia Vontobel hat mit dem Projekt Sol CH gezeigt, dass die Photovoltaik bei richtigem Einsatz auch im Winter selbst in den Schweizer Bergen die Stromversorgung übernehmen kann. Das Winter-Plusenergiehaus steht in Poschiavo auf über 1.000 Metern Höhe. Hier fällt der Schnee noch üppig. „Der Ersatzneubau ist auf Energieeffizienz und Energiegewinnung ausgelegt“, sagt die Architektin.

Das Gebäude ist leicht nach Südwesten ausgerichtet und steht so parallel zur Straße. Die Architektin hat einen kleinen Knick in die Südfassade geplant. Dadurch hat sie eine stärkere Südorientierung der Fassaden- und Dachfläche erreicht. Schließlich ist die Photovoltaik die Energiequelle des Gebäudes.

Um maximalen Platz für die Solarenergie zu schaffen, hat sie das Haus mit einem asymmetrischen Satteldach versehen. Dadurch konnte sie die nach Süden ausgerichtete Solarleistung maximieren, während in nördlicher Richtung weniger Modulleistung installiert ist. Dennoch müssen die Fassaden in den kälteren und dunkleren Monaten, wenn die Sonne tief steht, mithelfen, um das Gebäude mit Energie zu versorgen. Das zeigen die Erträge der vergangenen beiden Jahre. Sie reichten zu jedem Zeitpunkt aus, damit das Haus mehr Energie zur Verfügung hat, als es braucht – auch im Winter.

Insgesamt sind in die Gebäudehülle 471 Quadratmeter Modulfläche integriert. Sie liefern einen jährlichen Ertrag von 47.770 Kilowattstunden. Das sind 681 Prozent des Verbrauchs im Gebäude.

So bleibt viel Strom übrig, um die Luft-Wasser-Wärmepumpe auch im Winter mit zu bedienen. Ein 3.000 Liter großer Wärmespeicher lagert 50 Kilowattstunden zwischen. Überschüssiger Strom fließt zudem in die Elektromobilität. Das Elektroauto kann bidirektional laden. 30 Prozent der Batteriekapazität sind für die Pufferung überschüssigen Sonnenstroms reserviert. Auf diese Weise steht dem Gebäude noch ein Stromspeicher von 25 Kilowattstunden zur Verfügung.

Nadia Vontobel hat sich die Erträge der unterschiedlichen Solarflächen angeschaut. Hier zeigt sich, dass den Hauptertrag zwar das Süddach liefert. Doch vor allem im Winter sind die Fassaden wichtig. Die Südfassade liefert in den kalten Monaten mehr Stromertrag als das Süddach. Aufgrund der größeren Fläche waren die Fassaden immer zu mehr als der Hälfte an der Energieversorgung beteiligt. Ein interessanter Aspekt ist, dass das nach Norden ausgerichtete Dach sogar mehr Ertrag bringt als die West- und die Ostfassade.

Eine große Herausforderung war die Beschaffung der Module. Nadia Vontobel hat 18 Hersteller in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland angefragt. Doch nur zwei von ihnen konnten die geforderten Module herstellen. Denn aufgrund der vollflächigen Bedeckung der Gebäudehülle mit Photovoltaik waren viele Sondermodule notwendig.

Insgesamt wurden 435 Solarmodule verbaut. Der größte Teil waren zwar Standardmodule. Doch am Ende waren es 45 verschiedene Modultypen mit unterschiedlichen Geometrien, die eingesetzt wurden. Trotz dieses Aufwandes rechnet sich das Projekt. Nadia Vontobel hat es ausgerechnet. Bei einem Strompreis von 20 Schweizer Rappen amortisiert sich die Gebäudehülle innerhalb von 15 Jahren – dank des vermiedenen Energiebezugs von außen.

Foto: Nadia Vontobel Architekten

Avancis

Module für energieerzeugende Fassaden

Der Modulhersteller Avancis hat sich seit 2016 auf die Produktion von Solarmodulen für die Bauwerkintegration spezialisiert. Die rahmenlosen Module der Reihe Skala basieren auf der CIGS-Dünnschichttechnologie. Sie sind in verschiedenen Farben und Größen erhältlich. Dadurch haben Architekten viel Gestaltungsfreiheit bei der Realisierung zukunftsgerechter Gebäudehüllen.

Seit Juli dieses Jahres hat das System für Windlasten bis zu sechs Kilonewton pro Quadratmeter eine erweiterte allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt). Dadurch können die Module der neuen Skala-S-Serie auch in Solarfassaden an Hochhäusern in mehreren Hundert Metern Höhe eingesetzt werden.

Die Module sind speziell für vorgehängte, hinterlüftete Fassaden konzipiert. Mit dem auf der Rückseite angebrachten Befestigungssystem sind sie kompatibel mit allen gängigen Unterkonstruktionen für solche Fassaden. Es ist keine sichtbare mechanische Klemmung notwendig. Sie sind auch mit vielen anderen Fassadenmaterialien kombinierbar und können sowohl im Hoch- als auch im Querformat installiert werden.

Avancis hat die Erweiterung der Produktpalette angekündigt. Neben dem jetzt schon erhältlichen Skala S plant das Unternehmen auch die Einführung eines terracottafarbenen Moduls Skala Solid. Dieses soll in Kürze eingeführt werden und eignet sich für die Aufdach- oder Fassadenmontage. Speziell für Gewerbebauten und Industriefassaden hat Avancis noch das Skala Industry entwickelt.

Swissolar

Brandschutz für Solarfassaden

Der Brandschutz von Solarfassaden ist schon länger ein Thema in der BIPV-Branche. Bisher gibt es keine Standards, wie Solarmodule nachweisen können, dass sie die Brandausbreitung über die Fassade nicht beschleunigen. Derzeit werden solche Nachweise über Brandversuche im Einzelfall geführt.

Doch das Thema verunsichert viele Bauherren. Damit sie Sicherheit bekommen, arbeitet Swissolar derzeit zusammen mit Partnern für die Schweiz entsprechende Regelungen aus. „Mit dem Übergangspapier werden wir bereits in der Lage sein, in vielen Fällen mit einem argumentativen Nachweis ein bewilligungsfähiges Konzept zu erhalten“, erklärt Anastasia Dimitriadou, Brandschutzexpertin beim Ingenieurbüro Amstein und Walthert in Zürich.

Die Branschutzingenieurin hat die Koordination bei der Ausarbeitung der neuen Brandschutzregelungen für Solarfassaden übernommen. Konkret geht es hier vor allem um mittlere und höhere Gebäude ab einer Höhe von elf Metern. Bis dahin kann die Feuerwehr noch relativ einfach auch von außen löschen. Mit zunehmender Gebäudehöhe wird es schwieriger und ab 30 Metern kann die Feuerwehr von außen nicht mehr angreifen.

Deshalb sind für solche Gebäude höhere Schutzziele zu definieren. Die Brandschutznorm der Schweiz gibt unter anderem vor, dass die Sicherheit von Menschen im Gebäude gewährleistet sein muss. Im Falle eines Brandes muss das Ausbreiten von Flammen verhindert werden. Außerdem müssen die Bauteile ihre Tragfähigkeit während eines bestimmten Zeitraums behalten. „Das bedeutet, ein Brand darf sich bei mittleren Gebäuden über die Fassade nicht mehr als zwei Geschosse nach oben ausbreiten“, erklärt Anastasia Dimitriadou. „Bei Hochhäusern sind keine Schutzziele mehr vorhanden. Die Fassade darf nicht brennbar sein.“

Um auch bei solchen Gebäuden eine Solarfassade zu ermöglichen, können immer noch Nachweise im Einzelfall geführt werden, sodass die Brandschutzbehörden zustimmen. Anastasia Dimitriadou rät hier, den Brandschutz von Anfang an ins Projekt einzubeziehen und frühzeitig mit den zuständigen Behörden Kontakt aufzunehmen.

Die neue Brandschutzrichtlinie von Swissolar soll als Orientierungshilfe dienen. Hier werden, nach Systemkategorie eingestuft, Standardanforderungen definiert. Das Regelwerk soll noch 2023 erscheinen. Für das Jahr 2024 kündigt Anastasia Dimitriadou zudem noch ein Technikpapier an, in dem Standardlösungen definiert werden. Geplant ist auch die Entwicklung von standardisierten Brandversuchen an Solarfassaden, damit diese nicht mehr projektspezifisch durchgeführt werden müssen.

Nelskamp

Solare Dachziegel produzieren Wasserstoff

Dass energieautarke Gebäude mit ästhetischem Anspruch möglich sind, zeigen zwei Projekte in Kaisersbach-Cronhütte in der Nähe von Stuttgart. Dort haben sich die Eigentümer von zwei Einfamilienhäusern entschlossen, solare Dachelemente von Nelskamp in ihre Dächer zu integrieren.

Seit der Sanierung Anfang 2022 bilden die Solarziegel des ersten Einfamilienhauses einen Teil der Dachhaut. Die Anlage hat eine Leistung von 15 Kilowatt. Dafür waren etwa 77 Quadratmeter Dachfläche ausreichend. Die mit 17 Kilogramm pro Quadratmeter besonders leichte solaraktive Dacheindeckung Planum PV eignete sich besonders gut für die energetische Sanierung des Projektes. Ein Vorteil ist: Das Solarziegelsystem von Nelskamp wird als Dacheindeckung inklusive Photovoltaikfunktion im Rahmen der BEG Einzelmaßnahme Dach durch das Bafa mit einem Zuschuss von 15 bis 20 Prozent gefördert.

Ein knappes Jahr später wurden auch in einem Neubau mit 140 Quadratmetern Wohnfläche diese Solarelemente in das Dach integriert. Auch hier fügen sich die solaren Dachelemente mit einer Gesamtleistung von zehn Kilowatt perfekt in die umliegende Dacheindeckung ein.

In beiden Gebäuden liefern die solaren Dachziegel nicht nur Strom für die elektrischen Anlagen. Sie bedienen auch jeweils ein Picea-System von Home Power Solutions (HPS). Es besteht aus einem Elektrolyseur, der mit überschüssigem Solarstrom Wasserstoff herstellt, und einem Speicher für das Gas. Auf einer Fläche von einem Quadratmeter können so etwa 300 Kilowattstunden Sonnenstrom zwischengelagert werden.

Eine Brennstoffzelle nutzt den gespeicherten Wasserstoff vor allem im Winter, um Strom zu produzieren, wenn die Photovoltaik nicht ausreichend liefert. Mit dem Strom wird eine Wärmepumpe betrieben. Zusammen mit der Abwärme der Brennstoffzelle und der zurückgewonnenen Wärme aus dem Lüftungssystem reicht dies aus, um die Wärmeversorgung des Gebäudes auch im Winter sicherzustellen.

Ein Energiemanagement sorgt für die Regelung und Abstimmung der verschiedenen Energiequellen. Lediglich der direkte photovoltaikoptimierte Betrieb der Wärmepumpe wurde seit dem Einbau noch verbessert. Der Bauherr ist zufrieden mit dem Picea-System von HPS und dem Solarziegelsystem der Dachziegelwerke Nelskamp. Aktuell überlegt er, eine weitere Wasserstoffspeichereinheit mit 300 Kilowattstunden Fassungsvermögen zu ergänzen. „Mit dem Abschluss der Dämmmaßnahmen müsste ich dann die 100-prozentige Autarkie schaffen“, sagt der Hauseigentümer.

Foto: Dachziegelwerke Nelskamp

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