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Pionierprojekt repowered

Achtzig Einfamilienreihenhäuser und ein Wohnblock mit 72 Wohneinheiten bilden die Bremer Solarsiedlung „Auf dem Kruge“. Die Reihenhausdächer der Siedlung schimmern blau. Die Häuser befinden sich im Eigentum der Bewohner, nicht jedoch die darauf installierte Photovoltaikanlage, eine der größten der Region. Jeweils zwölf Photovoltaikmodule decken die Dächer der 1995 errichteten Gebäude, zusammen sollen sie 206 Kilowatt Leistung erbringen.

Lehrgeld bezahlt

Das örtliche Energieversorgungsunternehmen finanzierte das Solarkraftwerk, betreibt und wartet die Anlage über einen Zeitraum von 30 Jahren. Und kommt jetzt in die missliche Lage fast die gesamte Anlage austauschen und erneuern zu müssen. Die Investitionskosten betragen rund eine Million Euro. „Das war der Tribut an den frühen Einstieg in die Solarenergie“, stellt Petra Gaebe, Pressesprecherin der Stadtwerke Bremen (SWB) nüchtern fest. „Auf dem Kruge“ gilt als Pionierprojekt für Solarstromanlagen dieser Größenordnung. Während der letzten Jahre lieferte die heute 13 Jahre alte Anlage nicht mehr die Erträge, die rechnerisch möglich wären. In mehrere Module war Feuchtigkeit eingedrungen, sodass die Zellen kaputt gingen und keinen Strom mehr produzierten. Bereits 2002 waren des halb 60 Module des Herstellers Pilkington Solar vom Typ Optisol gegen Module des Pilkington-Nachfolgers Flabeg ausgetauscht worden. Den Austausch der restlichen 900 Module, von denen mittlerweile ebenfalls ein Großteil defekt ist, müssen die SWB nun aus eigener Tasche finanzieren, da auch Flabeg heute nicht mehr am Markt ist. Die niederländische Scheuten Solar übernahm 2003 das angeschlagene Unternehmen nach einem Insolvenzverfahren, ohne jedoch die rechtliche Nachfolge anzutreten.

„Auch unsere Module wurden 2004 komplett ausgetauscht, nachdem die Delaminationserscheinungen bei drei Modulen bis zum Rand fortgeschritten waren“, berichtet Markus Spinnler, Dozent der Energie- und Umwelttechnik an der Technischen Universität (TU) München. In der Garchinger Eingangshalle der TU München waren die gleichen Flabeg-Module vom Typ Optisol eingebaut wie in Bremen, hier als Überkopfverglasung. „Die Minderleistung ist sehr schnell innerhalb von zwei Jahren von zehn auf 30 Prozent angestiegen. Beschleunigt wurde der Prozess durch Wärme, beispielweise an den Stellen, wo die Glasflächen besonders verschmutzt waren“, erinnert sich Spinnler. Zuerst seien die Schäden niemandem aufgefallen, da man die Module nicht von außen sehen kann. Als im Winter ein Modul der Überkopfverglasung auffror und brach, musste man schnell handeln, um die Sicherheit des Gebäudes zu garantieren. Der Modulhersteller Flabeg war damals schon abgewickelt. Trotzdem hatte die TU München, anders als die Stadtwerke Bremen, noch Glück im Unglück. Der Bauträger, der die Anlage ursprünglich errichtet hatte, übernahm schließlich die Gewährleistung und installierte ein neues Glasdach mit Modulen von Saint-Gobain.

Frans van der Heuvel, Geschäftsführer von Scheuten Solar, nennt im Wesentlichen zwei Gründe, die zu diesem Problem bei den Flabeg-Modulen geführt haben. Einerseits wurde ein UV-härtendes Gießharz verwendet. Um das Harz vollständig aushärten zu können, musste Licht an jede Stelle des Laminats geführt werden. Die Module waren allerdings so konzipiert, dass jeweils die Anschlussdose direkt hinter einer Zelle angeordnet war. Folglich kam an diese Stelle kein Licht, und das Material hinter der Dose härtete nicht vollständig aus. Das zweite Problem lag laut van der Heuvel in der chemischen Zusammensetzung des Laminats. „Die Materialien haben sich nicht vertragen“, erklärt der Unternehmer. „Wir sind ein großer Glashersteller. Wir haben Ahnung davon, wie man Komponenten verbindet.“ Vieles habe Scheuten verändert und weiterentwickelt seit der Übernahme, beispielsweise die Rezeptur des Laminats. Außerdem werden die Anschlussdosen seitdem an der Seite des Moduls angeordnet. Van der Heuvel erkennt trotz dieser Konstruktionsfehler die Leistung des Photovoltaikherstellers der ersten Generation an. „Man muss sehen, dass Flabeg das erste Modulwerk der Welt war. Sie waren Pioniere, und Pioniere machen Fehler“, gibt er zu bedenken. Außerdem traten dieselben Probleme nicht nur bei Glas-Glas-Modulen auf, sondern auch bei Standardmodulen mit EVA. In den Medien wurde jedoch nur über Glas-Glas-Module berichtet. Von den Problemen bei Standardmodulen habe kaum jemand gesprochen.

Aleo springt ein

Petra Gaebe jedenfalls möchte den Vorzeigecharakter der Bremer Siedlung „Auf dem Kruge“ bewahrt sehen. Deshalb wurde die Photovoltaikanlage wieder ertüchtigt, diesmal mit 876 Modulen der norddeutschen Aleo Solar. Damit ist auch optisch wieder eine ansprechende Dachlandschaft hergestellt. Immerhin 50 Kilowatt von ehemals 206 der ursprünglichen Anlage seien noch voll funktionstüchtig. Mitarbeiter der Stadtwerke haben die Module durchgemessen und anschließend eingelagert. „Wir überlegen noch, was damit geschehen soll“, sagt Gaebe. „Da es sich um Indach-Module handelt, können wir sie nicht einfach auf irgendein Dach stellen. Eventuell wird unser Ausbildungsbetrieb mit diesen Modulen ein Projekt durchführen.“

Anja Riedel

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