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Anschluss als Nadelöhr: So kann die Netzwende gelingen

Installateure können ein Lied davon singen: Bei Photovoltaikanlagen mit mehr als 135 Kilowatt wird der Netzanschluss sehr schwierig. Neben den Zertifikaten für die Komponenten sind ab dieser Anlagenleistung sogenannte Anlagenzertifikate erforderlich. „Bei kleinen Anlagen und großen Solarparks ist der Anschluss relativ einfach“, resümiert Professor Bernd Engel, der die Sitzung zum Netzanschluss leitete. „Das absolute Sorgenkind sind die gewerblichen Anlagen von 135 Kilowatt bis 950 Kilowatt.“ Nach Zahlen des BSW-Solar ist der Zubau in diesem Segment sogar rückläufig. Denn die Zertifizierung nach VDE-AR 4110 (Anschluss ans Niederspannungsnetz) ist sehr zeitaufwändig und kostet 15.000 Euro je Anlage.

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FNN schreibt intransparente Regeln

Netzexperte Ralf Haselhuhn von der DGS in Berlin-Brandenburg arbeitet seit vielen Jahren im VDE-Normungsausschuss DKE/K 373 (Photovoltaiksysteme) tätig. Er beklagt die intransparente Diskussion im FNN, dem Regelungsgremium der Netzbetreiber. Rechtlich gelten die Vorschriften des FNN als privatwirtschaftliche Vorgaben. In den Gesetzen taucht der FNN nicht auf. Dort wird auf die Normung von VDI und VDE Bezug genommen.

So hat der FNN die VDE AR-N 4000 bislang nicht vollumfänglich übernommen, sondern zusätzliche Hürden eingezogen. Der FNN hat es bisher abgelehnt, Vertreter der DKE in ihre Prozesse einzubinden. „Die Metaregel des FNN zur VDE AR-N 4000 baut zusätzliche Hürden auf“, kritisiert Ralf Haselhuhn. „So wurden die Anforderungen an die Zählerschränke erhöht. Mittlerweile müssen Zählerschrankwände eingebaut werden, wenn man eine Photovoltaikanlage anschließen will. Sie kosten bis zu 4.000 Euro, manchmal mehr als die Anlage.“

Photovoltaik wird als Generator betrachtet, der nachts durchstromt

Zudem betrachten die im FNN vereinten Netzbetreiber die Photovoltaik als dauerproduzierenden Generator. „Deshalb wird ab 50 Ampere eine teure Wandlermessung vorgeschrieben“, nennt Haselhuhn ein weiteres Beispiel. „Aber nachts liefert die Solaranlage keinen Strom. Anlagen im Aussetzbetrieb brauchen normalerweise keine Wandlermessung.“

Der FNN hält an seiner Betrachtungsweise fest. Zudem hat jeder Netzbetreiber eigene Anschlussbedingungen, die in den TAB festgeschrieben sind. „Wenn man die Bedingungen standardisieren würde, wären die Zertifizierung viel einfacher“, schlägt Haselhuhn vor. „Man könnte mit typgeprüften und zertifizierten Wechselrichtern oder Parkregler arbeiten, um die Zertifizierung zusätzlich zu vereinfachen.“

Für Investoren: Netzanschluss von Solarprojekten

Bundesweiter Flickenteppich der TAB

Auch die Standardisierung der Parametrierung aller Transformatoren in Deutschland würde den Netzanschluss wirksam erleichtern. Bisher werden bundesweit rund 300 Parameter an den Trafos eingestellt, unterschiedlich je nach Netzbetreiber.

Ein weiteres Hemmnis ist die vorgeschriebene Abregelungstechnik für Photovoltaikanlagen, auch wenn sie über einen Stromspeicher die Nulleinspeisung garantieren. Das verteuert die Anlage, statt die Sache zu vereinfachen.

Kärnten als Vorreiter in der Digitalisierung

Wie einfach der Netzanschluss funktionieren kann, erläutert Gerald Obernoster. Er leitet das Netzmanagement bei , seit drei Jahrzehnten Erfahrungen, leitet das Netzmanagement beim Netzbetreiber Klagenfurt und blickt auf drei Jahrzehnte Erfahrung mit Stromnetzen zurück. „Von der Anfrage bis zum Angebotsversand dauert es bei uns 30 Minuten“, erzählt er. „Wir haben den Prozess weitgehend digitalisiert, zumindest für Netzanschlussleistungen bis 30 Kilowatt.“

Der Netzbetreiber gehört mehrheitlich RWE und dem Bundesland Kärnten. Per Gesetz muss die Energiewirtschaft in Österreich mehrheitlich in öffentlicher Hand sein, deshalb hält das Land 51 Prozent an dem Netzbetreiber.

Alpine und ländliche Netzstruktur

Der Westen von Kärnten ist alpin strukturiert. Die Siedlungen und Stromabnehmer konzentrieren sich in den Alpentälern. Im Osten ist Kärnten hügelig und stark zersiedelt, mit weiten Netzmaschen. Insgesamt 8.000 Trafos (Ortsnetze) und mehr als 9.000 Kilometer Niederspannungsnetze werden vom Netzbetreiber verwaltet.

Durchschnittlich hängen 40 Zählpunkte an einem Trafo, daran bildet sich das ländlich sehr verteilte Netz ab. „Bisher haben wir zwei Terawattstunden Sonnenstrom integriert“, analysiert Obernoster. „Nach einem neuen Landesgesetz vom August 2022 müssen Anlagen innerhalb von zwölf Monaten angeschlossen werden.“

Anschluss innerhalb von zwölf Monaten

Das gilt, wenn der Anschluss die Erweiterung und Anpassung der Trafos erfordert. Bis 3,5 Kilowatt muss der Netzbetreiber sofort anschließen. Derzeit sind rund 200 Ortsnetze durch Solarstrom weitgehend ausgelastet, bedürfen der Erweiterung. „In den vergangenen drei Jahren haben wir einen dramatischen Anstieg der Anfragen erlebt“, berichtet der Experte. „2022 waren es allein mehr als 15.000 Anfragen für den Anschluss von Solarstromanlagen.“

Anschlussleistung ist wichtig, nicht die Anlagengröße

In Kärnten ist die Anlagengröße für den Netzanschluss unerheblich. „Uns interessiert nur die Einspeiseleistung“, erläutert Obernoster. „Wenn jemand 100 Kilowatt auf seinen Dächern installiert und nur fünf Kilowatt einspeisen will, gehen wir von fünf Kilowattstunden aus.“

Mittlerweile sind rund 220 Megawatt im Kärntener Netz installiert, 100 Megawatt warten auf den Anschluss. Insgesamt beträgt die Höchstlast im Netzgebiet von 780 Megawatt. Alle Anfragen bis 30 Kilowatt Anschlussleistung werden vom Netzbetreiber digitalisiert bearbeitet, um innerhalb von 30 Minuten beantwortet und ein Angebot für den Netzausbau erstellt. Zu diesem Zwecke wurden alle Ortsnetze und Trafos digital erfasst.

90 Prozent der Anschlussbegehren unter 30 Kilowatt

Automatisch werden Lastfluss und Spannungsabfall durchgerechnet, falls der Anschluss der Photovoltaikanlage gestattet wird. „Mit der Obergrenze von 30 Kilowatt Anschlussleistung erfassen wir rund 90 Prozent der Anlagen in Kärnten“, sagt Gerald Obernoster. „Nur zehn Prozent der Anlagen speisen höhere Anlagen ein. Alle Anlagen mit mehr als 30 Kilowatt kann man nicht automatisiert beantworten. Dann braucht man zusätzliche Schutzvorrichtungen am Einspeisepunkt, das muss man genau betrachten.“ In Österreich gibt es keine Zertifizierungen. Es genügt die Unterschrift eines zertifizierten Elektrikers, um die Anlage übers Webportal des Netzbetreibers anzuschließen. (HS)

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