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EEG-2021: Pragmatismus statt Schweinsgalopp!

Die Branche der erneuerbare Energien ist leider seit Jahren gewohnt, dass Änderungen am EEG mit der heißen Nadel gestrickt werden und im Schweinsgalopp durch die politischen Gremien gedrückt werden. Doch die Art und Weise, wie die Politik mit der aktuelle EEG-Novelle umgeht, schlägt alle vorherigen Verfahren in der Komplexität, den Auswirkungen und dem Zeitdruck nochmals um Längen.

Immer weiter verzögert

Geplant war die Novelle für Q2-2020, eingebracht wurde sie dann zum Ende des dritten Quartals. Die Betroffenen, die Verbände und die Bundesländer hatten gerade einmal zweieinhalb Tage Zeit, sich dazu zu äußern, was teils gegen den Vorentwurf nochmals verändert worden war.

Nach dem Kabinettsbeschluss vom 23. September rechnete man damit, dass es zügig voran gehen würde, aber erst am 19. Oktober wurde der Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Die erste Lesung wird am 30. Oktober stattfinden und damit die zweite und dritte Lesung erst Ende November liegen. Eventuell wird sich der Bundesrat erst im Dezember mit dem Thema befassen.

Planungssicherheit sieht anders aus!

Die Bundesländer beklagen sich massiv über das Verfahren, insbesondere darüber, dass die Novelle im beschleunigten Verfahren durch den Bundesrat gedrückt werden soll. Die Verbände und Betroffenen sehen ihre Rechte an einer Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren eingeschränkt, sogar der Normenkontrollrat hat seine Missbilligung ausgesprochen.

Natürlich ist der politische Prozess coronabedingt behindert worden, aber diese Behinderung trifft unsere Branche ja auch. Und nun schwebt sogar zusätzlich noch der faktische Wegbruch des stärksten Zubausegmentes - 500 bis 750 Kilowatt - für weite Teile des kommenden Jahres wie ein Damoklesschwert über uns!

Doch wo stehen wir, wo drückt der Schuh, was ist also zwingend notwendig, und was kann warten? Das dringende Thema für das kommende Jahr ist sicher zuallererst eine Übergangslösung für die Anlagen zu finden, deren Förderung ausläuft. Dass das passieren wird, ist seit dem ersten Tag des EEG klar und kein Punkt, der durch aktuelle Ereignisse hervorgerufen wurde.

Anpassung ans EU-Recht bis Mitte 2021

An zweiter Stelle kommt die Anpassung ans EU-Recht, welche in Deutschland seit 2018 offen ist und bis zur Jahresmitte 2021 umgesetzt sein muss. Drittens ist die Anpassung der Zubaukorridore an die neuen Erfordernisse des Klimaschutzes - also des Pariser Abkommens, dem Klimaschutzplan der Bundesregierung, aber auch dem neu verschärften Klimaschutzplan der EU - erforderlich.

Als Viertes und Letztes sind die üblichen Anpassungen des EEG zu benennen, die die Integration der erneuerbaren Energien in das Energiesystem immer wieder begleiten.

Wann zieht endlich Pragmatismus ein?

Wie können wir nun pragmatisch aus dem Schweinsgalopp entkommen und in ein geordnetes Verfahren übergehen, welches jeden Beteiligten mitnimmt, den Anforderungen der Rahmenbedingungen bestmöglich gerecht wird, und trotzdem fristgerecht Lösungen für die oben genannten, zeitlich definierten Probleme bietet?

Hier haben zwei Aspekte Relevanz: Zum Einen haben wir durch das sogenannte Huckepack-Gesetz, mit welchem der Deckel aus dem EEG entfernt wurde, gesehen, wie elegant man dringende Themen ohne eine komplette Novelle des EEG politisch lösen kann. Zum Anderen läuft die zweite Frist erst im Sommer 2021 aus.

Also, was wäre die pragmatischste Lösung?

Mittels eines Huckepack-Gesetzes wird die Frist, in der die Altanlagen aus der Förderung fallen, um ein halbes Jahr verlängert. Der Zubau in dieser Zeit war so gering, dass das kaum Auswirkungen auf das EEG-Konto haben dürfte.

Wir nehmen uns die Zeit, bis zum Auslaufen der zweiten Frist im Sommer einen geordneten Gesetzgebungsprozess zu führen, der durchaus zu solch einem großen Wurf werden kann, wie es das erste EEG vor 20 Jahren war.

Welche Veränderungen am vorliegenden Entwurf sind nötig?

Die Schaffung eines eigenen Ausschreibungssegmentes für die Aufdachanlagen ist zu begrüßen. Jedoch müssen die Ausschreibungsmengen ausreichend groß sein, es muss einen geordneten zeitlichen Übergang geben, welcher eine Planungssicherheit für die Branche gibt und den Zubau nicht kurzfristig abwürgt.

Außerdem muss zwingend eine Lösung für den Eigenverbrauch dieser Anlagen gefunden werden. Die Frage ist darüber hinaus, wo eine sachgerechte Grenze ist, ab wann eine solche Anlage in die Ausschreibung muss? Völlig unsinnig erscheint, in der Freifläche größere Anlagen ohne Ausschreibung zuzulassen als auf dem Gebäude. Die zunächst geplante weitere Absenkung des Grenze für Gebäudeanlagen auf 500 Kilowatt (und später 100 Kilowatt) zeigt den Weg, wohin gedacht worden ist!

EU-Richtlinie wortgetreu erfüllen!

Die Anforderungen der EU-Richtlinie aus 2018 müssen zumindest wortgetreu erfüllt werden, was die EEG-Umlage auf Eigenverbrauch betrifft, aber besser noch komplett ausgeschöpft werden, um die Eigenverbrauch komplett von Abgaben zu befreien. Damit wären auch die Krückenlösungen für den Mieterstrom hinfällig.

Die Zubaukorridore müssen den neuen Anforderungen der EU, aber auch einem realistischen Stromverbrauch in den kommenden Jahren hin angepasst werden. Sich auf der einen Seite in der Öffentlichkeit hinter die EU-Ziele zu stellen, dann aber durch Taschenspielertricks den Stromverbrauch völlig herunterzurechnen, ist ein erbärmliches Manöver.

Speicher ins EEG!

Es mussen das Thema der Speicherung, und zwar sowohl im Bereich Batterien als auch Power2Gas, endlich den klaren Eingang ins EEG finden. Auch die Sektorkopplung und die E-Mobilität und Wärme gehören dort verankert!

Wer die erneuerbaren Energien an den freien Markt heranführen will, muss alle Vermarktungshürden entfernen, über die oben benannten Themen hinaus. Hier sollten alle die erneuerbaren Energien betreffenden Gesetze einer Überprüfung unterzogen werden, damit sich die Marktkräfte endlich frei entfalten können.

Hier ist insbesondere die Anforderung ans eichrechtskonforme Laden zu benennen, das einer der größten Kostentreiber der Elektromobilität und gleichzeitig eine völlig unnötige Ausbaubremse ist!

Kurzfristig notwendige Änderungen

Sollte der im Moment durch die Politik avisierte Zeitplan beibehalten werden, müssen davon am dringlichsten aber folgende Maßnahmen umgesetzt werden:

Schaffung einer Übergangsfrist für schon geplante Anlage im Bereich 500 bis 750 Kilowatt, wie in allen gesetzlichen Anpassungen in den Vorjahren zum Erhalt der Planungssicherheit für die Branche und Investoren üblich,

vollstände Befreiung des Eigenverbrauchs von Anlagen bis zu 30 Kilowatt von der EEG-Umlage,

Gleichstellung vom Letzverbraucher und Betreiber beim Eigenverbrauch im Bezug auf die EEG-Umlage,

Schaffung einer Lösung für Eigenverbrauch für Anlagen aus der Aufdach-Ausschreibung.

Autor: Sebastian Poensgen ist Vorstand der Priogo AG in Zülpich.

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