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Agri-PV

Agrarrecht: Schafe unter Modulen

Die Idee hat Charme: Immer noch wird gegen Photovoltaik auf Freiflächen argumentiert, dass die Solarnutzung die Landwirtschaft verdrängt und die Pachtpreise für Bauern in die Höhe treibt. Wenn es gelingen könnte, ein Modell zu etablieren, Landwirtschaft und Solarenergie gemeinsam zu verwirklichen, würden viele Vorbehalte in der Bevölkerung und bei Entscheidungsträgern wegfallen.

Auch der konkrete Nutzen vor Ort liegt auf der Hand. Der Anlagenbetreiber erspart sich die mühsame Pflege der Grünflächen und der Landwirt kann sich die Besonderheiten der Fläche unter den Solarmodulen – wie zum Beispiel als Sonnen- oder Windschutz – zunutze machen.

Das Problem der EU-Beihilfen

Ein Problem, das der Realisierung des Modells bisher im Wege stand, war die Frage der Förderung der landwirtschaftlichen Nutzung. Je nach Art der Nutzung und abhängig von der Einstufung der Fläche erhalten Landwirte Beihilfen. Die Voraussetzungen solcher Beihilfen werden von der Europäischen Union geregelt.

Nach den Vorschriften der Europäischen Union sind nur solche Flächen begünstigt, die hauptsächlich für die Landwirtschaft genutzt werden. Dies setzt voraus, dass die landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden kann, ohne durch Art, Dauer oder Zeitpunkt der nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeit stark eingeschränkt zu sein.

Wenn die Solartechnik die landwirtschaftliche Nutzung nicht ­einschränkt, muss die Beihilfe ausgezahlt werden.

Foto: Fraunhofer ISE

Wenn die Solartechnik die landwirtschaftliche Nutzung nicht ­einschränkt, muss die Beihilfe ausgezahlt werden.

Benachteiligung nicht akzeptiert

Der nationale Gesetzgeber darf Regelungen zur Ausgestaltung der europäischen Förderung erlassen. Hiervon hat auch Deutschland mit der Verordnung zur Durchführung von Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (DirektZahlDurchfV) Gebrauch gemacht.

Gemäß Paragraf 12 Absatz 3 Nummer 6 DirektZahlDurchfV werden pauschal alle „Flächen, auf denen sich Anlagen zur Nutzung von solarer Strahlungsenergie befinden“ der nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeit zugewiesen und damit von der Beihilfe ausgeschlossen.

Ein Schafhalter aus Bayern wollte die Benachteiligung der Agriphotovoltaik nicht akzeptieren und ging gegen die Ablehnung seines Beihilfeantrags den Weg durch die Instanzen. Er nutzte bereits seit vielen Jahren Grasflächen unterhalb von aufgeständerten Solarmodulen für seine Schafherde.

Denn – so führt der Landwirt aus – auf den Flächen wachse Kleegras, das beste Futter, das es für Schafe gebe. Die Photovoltaikanlage schränke ihn nicht in seiner Nutzung ein. Sie kommt vielmehr den Schafen zugute. Sie bietet Schutz vor Regen und Wind und hält auch starken Sonnenschein ab. Für den Landwirt schlicht „die ideale Weide“. Aber auch der Inhaber der Photovoltaikanlage profitiert. Den Großteil der Grünpflege erledigen die Schafe.

Amt lehnte Beihilfe zunächst ab

Als der Landwirt Beihilfe in Form von Direktzahlungen bekommen wollte, berief sich das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Paragraf 12 Absatz 3 Nummer 6 DirektZahlDurchfV. Die vom Schafhalter genutzte Fläche sei aufgrund der Solaranlage als nichtlandwirtschaftliche Fläche zu qualifizieren und damit nicht beihilfefähig.

Der Landwirt klagte und bekam vom Verwaltungsgericht Regensburg recht. Die bayerische Verwaltung ging in die Berufung und legte die Sache dem Verwaltungsgerichtshof in München vor.

Zwei Gerichte gaben dem Landwirt recht

Aber auch der Verwaltungsgerichtshof in München stellte sich mit Urteil vom 1. Juni 2021 (Aktenzeichen 6 BV 19.98) auf die Seite des Landwirts. Paragraf 12 Absatz 3 Nummer 6 DirektZahlDurchfV dürfe entgegen seinem Wortlaut nur dann Anwendung finden, wenn Photovoltaikanlagen die landwirtschaftliche Tätigkeit stark einschränken würden.

Im zu entscheidenden Fall schränkt nach Auffassung der Richter die gleichzeitige Nutzung der Flächen zum Zwecke der Gewinnung von Solarenergie die landwirtschaftliche Tätigkeit nicht spürbar ein. Die Solarmodule seien so hoch angebracht, dass sie den Bewuchs nicht beeinträchtigen und Schafe ohne Probleme darunter weiden könnten.

Dass der Zweck der Solargewinnung die landwirtschaftliche Tätigkeit bei Weitem überlagere, sei ohne Bedeutung. Die mit Grünfutterpflanzen bewachsenen Flächen seien folglich landwirtschaftliche Flächen im Sinne des EU-Beihilferechts. Der Landwirt habe demnach Anspruch auf entsprechende Beihilfen.

Photovoltaik darf Landwirtschaft nicht stören

Die Rechtsprechung des VGH München kann – wenn sie von weiteren Gerichten bestätigt wird – ein Baustein sein, um die Agriphotovoltaik voranzubringen. Auch andere landwirtschaftliche Nutzungen als die Schafhaltung können von Beihilfen profitieren, die ihnen bisher vorenthalten wurden.

Voraussetzung ist allerdings ein Nutzungskonzept, bei dem die landwirtschaftliche Nutzung von den Solaranlagen nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Es ist kein Grund ersichtlich, warum in Zukunft Landwirtschaft und Photovoltaik nicht Kooperationen eingehen sollten, die für beide Seiten fruchtbringend sind.

Schafe weiden an Solarmodulen: Auf diese Weise sinken die Kosten für den Grünschnitt der Anlage.

Foto: Petra Franke

Schafe weiden an Solarmodulen: Auf diese Weise sinken die Kosten für den Grünschnitt der Anlage.

Der Autor

Dr. Thomas Binder
ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei in Freiburg im Breisgau ist auf das EEG und Solarenergie spezialisiert. Seit 2004 berät er seine Klienten deutschlandweit zu allen Rechtsfragen rund um die Photovoltaik. Er kennt die technischen und betriebswirtschaftlichen Hintergründe einer Solarinvestition ebenso wie die Geschäftspraxis zwischen Netzbetreibern, Anlagenbetreibern und Photovoltaikfachfirmen.

Foto: privat