Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Insolvenzen

Insolvenz: BGH als letzte Rettung

Was dem Solarinvestor im Jahre 2016 passiert ist, lässt sich am besten mit dem Begriff „Worst-case-Szenario“ umschreiben. Das Unternehmen, an das er seine Photovoltaikanlage vermietet hatte, hat Insolvenz angemeldet. Der frisch bestellte Insolvenzverwalter meldete sich kurz darauf bei dem Investor und verlangte fast 50.000 Euro an Mietzahlungen zurück, die er in den Jahren zuvor erhalten hatte.

Eine brenzlige Situation

Dies stellte die gesamten Einnahmen aus seiner Solaranlage seit 2011 dar. Das war zu viel für den Investor: Er verweigerte die Zahlung an den Insolvenzverwalter. Der ging jedoch den Weg durch die Instanzen bis zum Bundesgerichtshof, der aber letztlich dem Rückzahlungsbegehren des Insolvenzverwalters einen Riegel vorschob (Urteil vom 11. November 2021, Aktenzeichen: IX ZR 237/20).

Wie kam der Eigentümer der Photovoltaikanlage in diese brenzlige Situation? Er hatte sich im Jahre 2011 auf ein windiges Projekt eingelassen. Er erwarb eine Gebäudeanlage für 171.000 Euro.

Vermietung an ein Unternehmen

Diese Photovoltaikanlage sollte aber nicht dazu dienen, dass der Erwerber selbst die Einspeisevergütung nach dem EEG verdient. Vorgesehen war vielmehr, dass er die Anlage an ein Tochterunternehmen des Verkäufers vermietet. Im Gegenzug trat der Erwerber der Photovoltaikanlage seine Ansprüche auf Einspeisevergütung an das besagte Tochterunternehmen ab. Offensichtlich wurde dem Käufer der Photovoltaikanlage das Versprechen gemacht, dass er über mindestens zehn Jahre hinweg mit fixen monatlichen Mietzinserträgen von rund 1.000 Euro kalkulieren könne, ohne sich um die Anlage kümmern zu müssen. Aber von Anfang steckte der Wurm in dem Projekt. Zwar wurden die Mietzahlungen aufgenommen, Anfang 2012 wurde dem Käufer aber mitgeteilt, dass es technische Probleme gebe und der Vertrag auf eine Anlage an einem anderen Standort umgeschrieben werden ­müsse.

Schlechte Nachrichten

Der Käufer ließ sich darauf ein. Die Mietzahlungen flossen weiter und der Käufer hatte offensichtlich keinen Grund, seine Investition infrage zu stellen – bis er von der Insolvenz des Mieters erfuhr.

Das war jedoch nicht die einzige schlechte Nachricht. Der Insolvenzverwalter setzte den Käufer in Kenntnis, dass seine Photovoltaikanlage gar nicht ans Stromnetz angeschlossen war und daher auch keine Einnahmevergütung erlöste. Auf diese Tatsache stützte der Insolvenzverwalter seine Forderung.

Die Gläubiger benachteiligt?

Die Zahlung des Mieters der Photovoltaikanlage sei gläubigerbenachteiligend gewesen. Es handelte sich nämlich – so der Insolvenzverwalter – um unentgeltliche Zahlungen, weil der Anlagenkäufer gar keinen Anspruch auf die Mietzahlungen hatte. Denn ein Anspruch des Käufers auf Mietzahlungen hätte vorausgesetzt, dass die Anlage tatsächlich in Betrieb genommen worden wäre und Strom erzeugt hätte. Dies sei aber nachweislich nicht geschehen.

Die Richter hatten ein Einsehen

Der Bundesgerichtshof hatte ein Einsehen mit dem Solarinvestor. Zwar enthalte der Mietvertrag eine Klausel, dass das Mietverhältnis mit dem Tag der Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage beginne. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass der Mietvertrag gar nicht in Kraft getreten sei oder dass die Mietzahlungen nicht fällig geworden seien.

Vielmehr ist die Klausel nach Auffassung der Richter unwirksam. Denn es handele sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung des Mieters. In einer derartigen Vertragsbestimmung dürfe der Mieter seine Pflichten zur Mietzahlung nicht von einem Ereignis abhängig machen, das alleine in seiner Sphäre oder zumindest in der Sphäre seines Mutterunternehmens liegt. Der Investor darf also die Mietzahlungen des insolventen Mieters behalten.

Verwertung der Insolvenzmasse

Die Frage, ob bereits geflossene Mietzahlungen bei Insolvenz behalten werden dürfen, war nicht das einzige Problem des Mieters. In derartigen Insolvenzfällen tritt nicht selten die Frage auf, wer eigentlich Eigentümer der Photovoltaikanlage ist.

Insolvenzverwalter machen häufig Eigentumsrechte geltend und wollen die Anlage zugunsten der Insolvenzmasse verwerten. Deswegen war der Bundesgerichtshof in derselben Konstellation wie beim Urteil vom 11. November 2021 mit der Frage konfrontiert, ob der Solarinvestor das Eigentum an den Modulen und der Unterkonstruktion erworben hatte (Urteil des BGH vom 22. Oktober 2021, Aktenzeichen: V ZR 225/19).

Hierzu ist erforderlich, dass die Module weder wesentliche Bestandteile des Grundstücks noch der Photovoltaikanlage geworden sind. Der BGH stellte fest, dass die Anlage kein wesentlicher Bestandteil, sondern nur ein Scheinbestandteil des Grundstücks geworden ist, weil sie aufgrund eines schuldrechtlichen Nutzungsvertrags und nur für einen bestimmten Zeitraum auf fremdem Grundstück betrieben werden sollte.

Im Hinblick auf die Frage, ob die Module wesentlicher Bestandteil der Photovoltaikanlage sind, äußert sich der BGH vorsichtiger. Das wäre zumindest dann nicht der Fall, wenn die Module durch ein gleiches oder ähnliches Bauteil ersetzt werden und ihrerseits wieder in einer andere Anlage eingebaut werden können. Dabei soll es auf den Zeitpunkt ankommen, an dem die Module auf den Investor übertragen wurden. Ob diese Voraussetzungen im entschiedenen Fall erfüllt waren, muss nun das untergeordnete Oberlandesgericht in einem neuen Urteil feststellen.

Wann ist Übertragung möglich?

Ein anderes Problem der Übereignung hat der BGH nur am Rande angesprochen: den Bestimmtheitsgrundsatz. Eine Übertragung von Eigentum ist nur möglich, wenn dieses Eigentum trennscharf bezeichnet wird. Im entschiedenen Fall wurde im Kaufvertrag auf einen Belegungsplan Bezug genommen, mit dem jedes übereignete Modul anhand der Stringnummer identifizierbar war. Damit war dem Bestimmtheitsgrundsatz Genüge getan.

Aus der Praxis ist jedoch bekannt, dass gerade bei der Übereignung von Photovoltaikanlagen auf eine Vielzahl von Investoren nicht immer genügend Sorgfalt aufgewendet wird, um das Eigentum jedes einzelnen Investors so genau zu bezeichnen, dass es vom Eigentum der Mitinvestoren abgrenzbar ist. Dann kann es für Investoren ein böses Erwachen geben, wenn der Verkäufer der Anlage zahlungsunfähig wird.

BSW-Solar

Neues FAQ-Papier zu Solardach-Auktionen

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) hat von der Berliner Rechtsanwaltskanzlei von Bredow Valentin Herz ein FAQ-Papier erstellen lassen, das die wichtigsten Fragen für eine erfolgreiche Teilnahme an den Förderausschreibungen der Bundesregierung für die Gebäude-Photovoltaik beantwortet.

Hintergrund ist die erhebliche Aufstockung des Solardach-Auktionsvolumens für das Jahr 2022 auf 2,3 Gigawatt verteilt über drei Auktionstermine (1. April, 1. August, 1. Dezember 2022) und die wiederholt relativ hohe Zahl an Geboten, die aufgrund von Formfehlern vom Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen wurden. Den beiden PV-Gebäude-Ausschreibungen aus dem Jahr 2021 von zusammen 300 Megawatt standen gültige Gebote in Höhe von gerade einmal 383 Megawatt gegenüber. Zum Vergleich: Die Ausschreibungen ebenerdig errichteter Solarparks ­waren in den letzten Jahren regelmäßig mehrfach überzeichnet.

Das mit Unterstützung der Innovationsplattform The smarter E Europe erstellte neue FAQ-Papier richtet sich an Handwerker und Projektierer. Es beantwortet häufig gestellte Fragen zur Teilnahmeberechtigung an den EEG-Ausschreibungen oder nach speziellen Anforderungen an das Gebäude, auf dem eine Solarstromanlage errichtet werden soll. Auch zulässige Gebotsmengen und Aspekte einer Anlagenzusammenfassung werden behandelt. Schließlich werden das Gebots- und Zuschlagsverfahren erläutert und Tipps gegeben, was besonders zu beachten ist.

Der BSW hält ein wachsendes Teilnahmeinteresse an den kommenden PV-Auktionen für möglich. Neben den für 2022 fixierten Sonderausschreibungen könnte auch die starke Degression bei der Festvergütung gewerblicher Solardächer dazu beitragen.

Seit Anfang letzten Jahres erhalten nach dem Erneuerbare-­Energien-Gesetz (EEG) nur noch Solarstromanlagen mit einer Nennleistung unterhalb von 300 Kilowatt eine Förderung für den eingespeisten Solarstrom. Betreiber von Solarstromanlagen mit einer höheren Leistung erhalten hingegen nur noch 50 Prozent ihres erzeugten Solarstroms vergütet, wenn sie zuvor nicht erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben. Im Falle einer Ausschreibungsteilnahme ist der Eigenverbrauch von Solarstrom jedoch ausgeschlossen.

Diese Einschränkungen sowie eine zu starke Degression bei der Festvergütung hatten 2021 in Deutschland zu einem spürbaren Rückgang der Photovoltaiknachfrage im Gewerbesektor geführt.

Der Autor

Dr. Thomas Binder
ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei in Freiburg im Breisgau ist auf das EEG und Solarenergie spezialisiert. Seit 2004 berät er seine Klienten deutschlandweit zu allen Rechtsfragen rund um die Photovoltaik. Er kennt die technischen und betriebswirtschaftlichen Hintergründe einer Solarinvestition ebenso wie die Geschäftspraxis zwischen Netzbetreibern, Anlagenbetreibern und Photovoltaikfachfirmen.

Foto: privat