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Dezentrale Energiewende hat Vorteile

Der dezentrale Ausbau der erneuerbaren Energien ist nicht teurer als der Bau der Erzeugungsanlagen an den besten Standorten. Er erhöht aber die kommunale Wertschöpfung erheblich.

Der dezentrale Ausbau der erneuerbaren Energien ist nicht teurer als der zentralisierte Ausbau an guten Standorten. Dafür wird er allerdings die regionale Wertschöpfung besser über die gesamte Bundesrepublik verteilen. Mit diesen zentralen Ergebnissen veröffentlicht das Rainer Lemoine Institut (RLI) eine entsprechende Studie, die es im Auftrag des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) erstellt hat. Als weitere Auftraggeber fungieren die Stiftung 100 Prozent erneuerbar und die Heleakala-Stiftung. „Unsere Studie belegt, dass ein landesweiter Ausbau der erneuerbaren Energien gegenüber einem zentralistischen Pfad keine Mehrkosten verursacht“, fasst Jochen Twele, Geschäftsführer des Reiner Lemoine Instituts, die Ergebnisse zusammen. „Dezentralität bietet aber zwei Vorteile: Zum einen macht man sich weniger von Netzausbau und Speichern abhängig – Optionen, die heute noch nicht voll zur Verfügung stehen. Zweitens gibt es weniger Unterschiede zwischen Gewinner- und Verliererregionen der Energiewende. Unter Betrachtung dieser Aspekte ergibt sich daher die klare Empfehlung, den Ausbau der erneuerbaren Versorgungsstrukturen dezentraler zu gestalten.“

Wertschöpfung gibt den Ausschlag

Die Wissenschaftler vom RLI haben verschiedene Szenarien des Ausbaus der erneuerbaren Energien untersucht. Einem ausgeprägt zentralistisches Szenario, bei dem die erneuerbaren Energien nur dort installiert werden, wo die spezifischen Stromerzeugungskosten am niedrigsten sind stellen sie ein dezentrales Szenario gegenüber, in dem jedes Bundesland einen bestimmten Anteil seines Strombedarfs durch erneuerbare Energien vor Ort deckt. Für beide Szenarien haben sie die Gesamtkosten errechnet, die nicht nur die Stromerzeugungskosten, sondern auch die Kosten für den Transport und die Speicherung des Stroms umfassen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die jährlichen Gesamtsystemkosten kaum höher als heute sind. „Für alle simulierten Jahre bewegen sie sich zwischen knapp zehn und knapp elf Cent pro Kilowattstunde“, heißt es in der Studie. Die Kostenunterschiede zwischen den beiden Ausbaupfaden liegen zwischen 0,2 und 1,2 Prozent der Gesamtsystemkosten. Da es keinen nennenswerten Kostenunterschiede gibt, wird die kommunale Wertschöpfung zum zentralen Kriterium bei der Bewertung der Szenarien. Die kommunale Wertschöpfung liegt beim dezentralen Ausbau um 80 Euro pro Einwohner und Jahr als bei einem zentralen Ausbau. Außerdem ist der Unterschied zwischen Regionen mit hoher und niedriger kommunaler Wertschöpfung um etwa ein Drittel niedriger als beim zentralen Ausbau der Erneuerbaren. „Denn eine Fokussierung des Ausbaus der Kraftwerkskapazitäten auf die jeweils günstigsten Standorte führt zu einem sprunghaften Wechsel des Ausbauschwerpunktes zwischen den Regionen und wirkt damit einem stabilen Ausbau der regionalen Wirtschaft entgegen“, fanden die Wissenschaftler heraus. Vor allem der von der Bundesregierung angestrebte starke Ausbau der Offshore-Windenergie verringert den Effekt der kommunalen Wertschöpfung ohne zu niedrigeren Gesamtsystemkosten zu führen.

Bundesregierung auf dem Holzweg

„So dezentral wie möglich, so zentral wie nötig“, lautet die Forderung des BVMW, von 100 Prozent erneuerbar und der Heleakala-Stiftung. „Die Studienergebnisse setzen ein großes Fragezeichen hinter die Sinnhaftigkeit der von Union und SPD geplanten Reformen im Energiebereich“, betonen die Auftraggeber der Studie. „Die Begrenzung bei der Windkraft auf die sogenannten guten Standorte führt zu einer zunehmenden Zentralisierung der Energiewende. Die Folge sind teurer Netzausbau und steigende Gewinne bei den vier großen Versorgern“, ergänzt Mario Ohoven, Präsident des BVMW. „Die im Koalitionsvertrag verabredete Energiepolitik der neuen Bundesregierung wird die steigenden Strompreise nicht eindämmen können“, sagt er mit Blick auf die Ergebnisse. „Mit einer planwirtschaftlich anmutenden Festsetzung von Ausbaustandorten für Windkraft wird der dringend benötigte Kurswechsel in der Energiepolitik weiter in die Zukunft verschoben“, sekundiert Matthias Willenbacher, Vorstand von 100 Prozent erneuerbar, bei der Vorstellung der Studie. „Die vorgelegten Studienergebnisse untermauern dagegen unsere Forderung nach einer dezentralen Energiewende.“ Die Forschungsergebnisse wurden während eines Parlamentarischen Abends des BVMW in Berlin vorgestellt. Dabei war das Publikum hochkarätig besetzt. Neben der Mittelstandbeauftragten der Bundesregierung Iris Gleicke saßen auch der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag Peter Ramsauer (CSU) und der Vorsitzende von B90/Grüne Cem Özdemir im Publikum. (Sven Ullrich)