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Experten gegen die Energiewende

Die Expertenkommission Forschung und Innovation fordert die Abschaffung des EEG. Die Branche reagiert prompt und mit stichhaltigen Argumenten.

Wieder einmal hat sich ein Beratergremium der Bundesregierung mit einem Vorschlag hervorgetan, die Energiewende zu beenden. Dieses Mal ist es aber besonders heftig, da sich eine Expertenkommission, die sich eigentlich mit den Fortschritten in Forschung und Entwicklung beschäftigen soll, als besonders innovationskritisch hervorgetan hat. Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) sieht keine Rechtfertigung für die Fortführung des EEG. Nach Aussagen der Kommission mache die Förderung den Strom nur teurer, trage aber nicht zum Klimaschutz bei. Auch habe es nicht zu Innovationen geführt, schreiben die Regierungsberater.

Argumente für die Erneuerbaren einfach weggelassen

Damit sind sie nicht nur über das Ziel hinausgeschossen, sondern haben auch sämtliche in den vergangenen Jahren vorgetragenen Argumente für die erneuerbaren Energien einfach weggelassen. Denn sie reduzieren den Ausbau der erneuerbaren Energien wieder auf die simple Kostendebatte. So rechnen sie in ihrem Gutachten vor, dass zwar der Anteil der erneuerbaren Energien seit dem Jahr 2000 von sieben auf 23 Prozent gestiegen ist, aber die Vergütungszahlungen aus dem EEG im gleichen Zeitraum von 883 Millionen Euro auf 23 Milliarden Euro angewachsen sind. Dabei vergisst die Kommission aber, dass die Förderung der erneuerbaren Energien nicht mehr kostet als die Förderung der konventionellen Stromerzeugung. Die Förderung der erneuerbaren Energien macht den Strom selbst nur teurer, weil sie eben auf die Verbraucher umgelegt wird und damit im Gegensatz zur Unterstützung der konventionellen Stromerzeugung aus fossilen und atomaren Brennstoffen transparent ist. Denn diese werden aus Steuermitteln gefördert und subventioniert und damit sind die Kosten für die Förderung im Staatshaushalt versteckt, muss aber trotzdem von den Verbrauchern bezahlt werden. Auch die Tatsache, dass das gesamte Strommarktdesign überhaupt nicht für die erneuerbaren Energien angelegt ist, lassen die Experten einfach weg. Denn die Höhe der EEG-Umlage richtet sich nach dem Preis, zu dem regenerativer Strom an der Börse verkauft wird. Da er durch den Merit-Order-Effekt die Börsenstrompreise aber drückt, fällt mehr EEG-Umlage an. Denn die Netzbetreiber holen sich die Differenz zwischen Verkaufserlös und Vergütungszahlungen vom Stromkunden zurück.

Emissionshandel funktioniert nicht

Doch die Kostenexplosion ist aus Sicht der Kommission vor allem deshalb kritisch, weil „das Argument Klimaschutz, welches häufig als Rechtfertigung für das EEG angeführt wird, nicht trägt“. Dabei gehen die sogenannten Experten nicht darauf ein, warum die Treibhausgasemissionen in der EU weiter gestiegen sind. Selbst Deutschland hat im vergangenen Jahr mehr Kohlendioxid produziert als in den Jahren zuvor. Zum einen ist der Kohlendioxidausstoß für die stromintensive Industrie und die konventionellen Kraftwerke nicht so weit gedeckelt, wie es die Experten darstellen. Denn die Masse der Zertifikate, die im Emissionshandel unterwegs sind, ist so groß, dass die Preise zu niedrig sind, um die angestrebte Wirkung zu entfalten. Zum anderen geht der höhere Kohlendioxidausstoß im vergangenen Jahr vor allem auf die Wärmeproduktion zurück. Denn der lange Winter hat in den ersten Monaten des Jahres dazu geführt, dass die völlig veralteten Kessel länger und öfter liefen und damit den Kohlendioxidausstoß entscheidend angehoben haben. Wenn solche „Ausreißer“ in der Statistik nicht in den Mittelpunkt der Analyse gerückt werden, sieht die Realität schon ganz anders aus. „Denn rund 900 Millionen Tonnen Kohlendioxid wurden seit dem Jahr 2000 über erneuerbare Energieträger eingespart“, rechnet der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) vor.

Patentanmeldungen als Maßstab

Da die Experten weder die Kostensenkung noch den Klimaschutz als Grund für die Fortführung des EEG anerkennen, kommen sie zu ihrem eigentlichen Auftrag zurück: Die Entwicklung der Forschung und Innovation in Deutschland zu bewerten. Hier kommen sie zu der Schlussfolgerung, das EEG sein daran Schuld, dass im Bereich der erneuerbaren Energien kaum Innovation stattfinde. Da der Maßstab für die Experten dabei die Zahl der Patentanmeldungen ist, negieren sie die laufende Weiterentwicklung bestehender Technologien. „Die Branche überholt sich mit ihren innovativen Fortschritten in der Technik seit Jahren selbst“, kontert Hermann Falk, Hauptgeschäftsführer des BEE. Er nennt preisgekrönte Neuentwicklungen wie zum Beispiel die Hohlfasermembran der Evonik Industries aus Essen, die eine Reinigung von Biogas mit einem Reinheitsgrad von bis zu 99 Prozent ermöglicht und damit auf Erdgasqualität bringen als eine Innovation, die auch die Experten nicht wegdiskutieren können. Solche Innovationen zeigen das große Potenzial der Erneuerbaren. „Das EEG hat auch die funktionierende Holzgasnutzung angereizt und in der der Tiefengeothermie wurden spezielle Bohrtürme und Bohrverfahren entwickelt“, betont der BEE. „Die Innovationen in der Industrie und vor allem im Mittelstand haben Deutschland zur führenden Technologienation bei den Erneuerbaren gemacht und zu erheblichen Kostenreduzierungen in der Energieversorgung beigetragen.“ Tatsächlich sind die Stromgestehungskosten in der Photovoltaik sind seit der Einführung des EEG um 80 Prozent gesunken. Bei der Windkraft hat sich der Ertrag pro Windrad seitdem versechsfacht, die Anlagen sind mittlerweile viel effizienter, zuverlässiger und kostengünstiger. Und auch bei Biogas wirken technologische Errungenschaften: Die Stromausbeute aus den eingesetzten Rohstoffen hat sich pro Hektar verdoppelt. „Diese Erfolge wären ohne den dynamischen, von Bürgern und Mittelstand getragenen Ausbau der letzten 15 Jahre nie und nimmer realisierbar gewesen“, erklärt Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE). „Die Rahmenbedingungen und Investitionsanreize hat einzig und allein das EEG gesetzt. Es gilt daher bei allen ernst zu nehmenden Experten mit Fug und Recht als Job- und Innovationsmotor und effektives Klimaschutzinstrument.“ Außerdem hat das EEG erneuerbare Energien aus den Forschungslabors auf den industriellen Weltmarkt gebracht“, erklärt Hermann Falk vom BEE. „Gegenteilige Behauptungen, wie von der Expertenkommission Forschung und Innovation hervorgebracht, klingen für uns absurd. Dass wir nicht noch mehr Kohlendioxid einsparen, liegt daran, dass der Emissionshandel nicht funktioniert.“

„Patentanmeldungen waren niemals Zielsetzung"

Noch weiter geht Udo Mörstedt von IBC Solar. „Man muss sich fragen, in welchem Elfenbeinturm diese Experten die vergangenen zehn Jahre verbracht haben“, betont der Gründer von IBC Solar. „Fakt ist: Die Anzahl der Patentanmeldungen war niemals eine Zielsetzung des EEG“, kritisiert er die Äußerungen der Expertenkommission zur Wirksamkeit des EEG. „Diese Größe nun als Messlatte für seinen Erfolg heranzuziehen, ist völliger Unsinn! Die Ziele des EEG waren immer, die Kosten für Technologien zur Gewinnung erneuerbarer Energie zu senken, Investitionsanreize zu schaffen und so den Anteil von CO2-frei produziertem Grünstrom in Deutschland zu erhöhen. Fakt ist auch, das EEG hat diese Ziele vollkommen erfüllt. Insbesondere die Solarwirtschaft steht für technologische Leistungssteigerungen und Kostensenkungen wie keine andere europäische Branche. Dem EEG seinen eigenen Erfolg nun vorzuwerfen, ist absurd.“ Doch selbst wenn die Expertenkommission die Patentanmeldungen als Maßstab nimmt, hat sie offensichtlich übersehen, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Patentanmeldungen im Bereich erneuerbare Energien ist laut Deutschem Patent- und Markenamt (DPMA) stark gestiegen ist. Die Agentur für Erneuerbare Energien hat die wichtigen Themen herausgefiltert, welches die wichtigen Themen der Weiterentwicklung in den vergangenen Jahren waren. Die Windenergie hat sich dabei vorwiegend auf die Integration ins Stromnetz, die Rotorblätter, Offshore-Anlagen und die Speicherung von Windenergie konzentriert. Bei der Stromgewinnung aus Solarzellen ging es laut DPMA bei vielen Patentanmeldungen um verbesserte Wirkungsgrade bei gleichzeitig geringeren Herstellungskosten. „Das zeigt: Die Nutzung erneuerbarer Energien wird immer effizienter und günstiger“, betont die AEE.

Innovationen durch EEG angereizt

Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Innovationen in der Wasserkraftnutzung angereizt worden. „Ohne die Innovationskraft der Unternehmen und Betreiber wäre die Wasserkraftnutzung unter diesen Voraussetzungen in Deutschland kaum noch möglich“ kritisiert Hans-Peter Lang, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke, die Forderungen der Expertenkommission Forschung und Innovation. Auch der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke (BDW)  Hans-Peter Lang versteht die Kritik der Expertenkommission nicht. „Langsamlaufende fischschonende Turbinen, überströmbare Kraftwerke, intelligente Steuerungstechnik, neue Fischauf- und -abstiegstechnologien und strömungsoptimierte Fischschutzrechen sind nur einige der Innovationen der letzten Jahre“, betont er. „Ohne die Innovationskraft der Unternehmen und Betreiber wäre die Wasserkraftnutzung unter diesen Voraussetzungen in Deutschland kaum noch möglich. Anstatt unsinnige Forderungen aufzustellen, sollte die Expertenkommission lieber Vorschläge machen, wie die Wasserkraft als Ganzes und ihre Innovationsfähigkeit erhalten werden kann“, kritisiert Lang. (Sven Ullrich)