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Solarparks

Zündet der Turbo im BauGB?

Im Jahr 2023 hat es verschiedene Änderungen im Baugesetzbuch gegeben, um den Ausbau der Solarparks zu vereinfachen und zu beschleunigen. Zentrale Norm für die Frage, wie das Genehmigungsverfahren abläuft, ist Paragraf 35 Baugesetzbuch (BauGB). Er regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben im Außenbereich gebaut werden darf.

Zum Außenbereich gehören alle Grundstücke, die weder im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegen noch in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Wenn über Paragraf 35 BauGB eine Zulässigkeit des Vorhabens nicht erreicht werden kann, muss ein Bebauungsplan für die Errichtung der Photovoltaikanlage aufgestellt werden. Da dieses Verfahren zeit- und arbeitsintensiv ist, ist die Projektierung von Freiflächenanlagen nach Paragraf 35 BauGB in aller Regel die bevorzugte Variante.

Paragraf 35 BauGB unterscheidet zwischen privilegierten und sonstigen Vorhaben. Wenn eine Photovoltaikanlage nicht zu den privilegierten Vorhaben zählt, ist sie in der Regel im Außenbereich nicht genehmigungsfähig. Es muss zunächst ein Bebauungsplan beschlossen werden.

Neun Tatbestände der Privilegierung

Paragraf 35 BauGB unterscheidet neun Tatbestände der Privilegierung. Seit Langem wird diskutiert, ob Solaranlagen bereits nach Paragraf 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert sein können. Diese Regelung betrifft Anlagen, die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen. Hierzu ist allerdings erforderlich, dass die Photovoltaikanlage den wesentlichen Teil des Stroms – in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist von zwei Dritteln die Rede – dem landwirtschaftlichen Betrieb zur Verfügung stellt. Seit Januar 2023 gibt es die Privilegierung nach Paragraf 35 Abs. 1 Nr. 8b BauGB. Sie betrifft Photovoltaikanlagen längs zu Autobahnen oder Schienenwegen des übergeordneten Netzes mit mindestens zwei Hauptgleisen. Der Abstand darf höchstens 200 Meter gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn sein.

Probleme können auftreten, wenn neben Straßen oder Schienen andere bauliche Anlagen stehen. Diese können nämlich dafür sorgen, dass auch dann die Voraussetzungen der erforderlichen Nähe der Photovoltaikanlage nicht eingehalten wird, wenn die Entfernung zum Schienen- oder Straßenweg 200 Meter unterschreitet. Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich aus dem Fernstraßengesetz Einschränkungen für die Planung der Anlage ergeben können.

Im Juli 2023 wurde eine weitere Privilegierung eingeführt, die Agri-PV betrifft. Maßgeblich ist hier zunächst, dass die Anforderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes an Agri-PV-Anlagen eingehalten werden. Die geplante Anlage darf sich beispielsweise nicht in geschützten Gebieten wie auf Moorböden befinden. Zudem stellt das EEG technische Anforderungen an die Agri-PV, die sich aus der DIN SPEC 91434 ergeben. In dieser Norm werden unter anderem Maßgaben für den Ertrag der landwirtschaftlichen Nutzung oder den Flächenverbrauch der Module gemacht.

Darüber hinaus setzt Paragraf 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB voraus, dass die Agri-PV-Anlage in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb oder einem Gartenbaubetrieb steht. Sie darf 25.000 Quadratmeter Fläche nicht überschreiten. Je Hofstelle oder Betriebsstandort darf nur eine Anlage betrieben werden. Wie diese Merkmale letztendlich in der Praxis genau definiert werden, bleibt der Rechtsprechung der kommenden Jahre überlassen.

Die Erfüllung eines der Tatbestände zur Pri­vilegierung im Paragrafen 35 Abs. 1 BauGB bedeutet allerdings leider noch nicht, dass Frei­flächenprojekte problemlos genehmigt werden. Eine weitere gewichtige Hürde kann die ­Regelung gemäß Paragraf 35 Abs. 3 BauGB darstellen.

Demnach dürfen öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden. Dabei geht es zum Beispiel darum, ob das Projekt den Zielen der Raumplanung und der Raumordnung entgegensteht. Hierfür sind Flächennutzungs- oder Landschaftspläne ebenso zu berücksichtigen wie Raumordnungs- oder Regionalpläne.

Möglicherweise können PV-Projektierer bei Konflikten mit diesen Plänen den neuen Paragrafen 2 EEG zu ihren Gunsten ins Feld führen. Diese Regelung sieht vor, dass Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen.

Dies kann bei Abwägungsprozessen den Ausschlag zugunsten der Photovoltaik geben. Darüber hinaus besteht in manchen Bundesländern die Pflicht, für Freiflächenanlagen im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.

Der Gesetzgeber hat zwar die Situation für Photovoltaikprojekte verbessert. Es bleibt aber dabei, dass Freiflächenanlagen einen erheblichen Planungsvorlauf benötigen. Neben dem Baugesetzbuch spielen regionale Planungsvorgaben eine Rolle. Den Projektierern bleibt zu empfehlen, rechtzeitig mit den Behörden in Kontakt zu treten und Beratung einzuholen, wie rechtliche Hürden aus dem Weg geräumt werden.

Stadtwerke Tübingen

Baubeginn für den Solarpark Traufwiesen

Die Bauarbeiten für einen neuen Solarpark im Landkreis Tübingen haben begonnen. Bis zum Sommer 2024 lassen die Stadtwerke Tübingen entlang der Bundesstraße B 27 über 15.000 Photovoltaikmodule installieren. Erst vor zwei Jahren war der Solarpark Lustnauer Ohren in Betrieb genommen worden.

Die Fläche des neuen Solarparks auf den Traufwiesen erstreckt sich über knapp acht Hektar. Das Areal liegt neben der Bundesstraße B 27 in Fahrtrichtung Stuttgart von der Abfahrt nach Lustnau bis zum Solarpark Lustnauer Ohren. Er wurde ebenfalls von den Stadtwerken Tübingen errichtet.

Das Bebauungsplanverfahren für den neuen Solarpark wurde in eineinhalb Jahren durchlaufen. Im Juli 2022 hatte der Tübinger Gemeinderat den Bebauungsplan aufgestellt und frühzeitig ein Beteiligungsverfahren angestoßen. Von der Idee bis zur Umsetzung vergingen nur knapp zwei Jahre.

Die Stadtwerke Tübingen haben den Solarpark komplett in Eigenregie entwickelt und finanziert. Nun setzen sie das Projekt mit Fachfirmen aus der Region um.

Insgesamt werden 15.045 bifaziale Solarmodule verbaut. 23 Wechselrichter, drei Trafostationen und eine Übergabestation speisen den Sonnenstrom ins Netz ein. Der jährliche Ertrag wurde mit rund 8.800 Megawattstunden prognostiziert.

Der erzeugte Ökostrom soll über einen Direktverkaufsvertrag (Power-Purchase-Agreement) vermarktet werden. Dadurch kommt der Solarpark Traufwiesen ohne EEG-Förderung aus. Die Errichtung des Solarparks übernimmt die Fachfirma Schoenergie. Die Module liefern Baywa r.e. Solar Trade und das Tochterunternehmen Solar Energy Systems.

Im Internet finden Sie ein aktuelles Bautagebuch:

Der Autor

Dr. Thomas Binder
ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei in Freiburg im Breisgau ist auf das EEG und Solarenergie spezialisiert. Seit 2004 berät er seine Klienten deutschlandweit zu allen Rechtsfragen rund um die Photovoltaik. Er kennt die technischen und betriebswirtschaftlichen ­Hintergründe ­einer Solarinvestition ebenso wie die Geschäftspraxis ­zwischen Netzbetreibern, Anlagenbetreibern und Photovoltaikfachfirmen.

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