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Taubenbefall

Tauben: Prophylaxe spart Kosten

Etliche Solaranlagen erweisen sich nach der Installation als ideales Brut­gebiet für Vögel, vor allem für Tauben. Warum?

Michael Mattstedt: Die Stadttaube ist ursprünglich ein Höhlenbrüter und gleichzeitig ein Kulturfolger. Die Übernutzung der natürlichen Lebensräume durch den Menschen führt zu neuen Verhaltensweisen der Tauben. So hat die Taube die Photovoltaikanlage als höhlenähnliches Substitut ergriffen. Dort oben hat sie ihre Ruhe und ist sogar geschützt vor Fressfeinden.

Der Schutz gegen Tauben sollte schon bei der Errichtung der Anlage eingeplant werden.

Foto: Ökologische Solarreinigung

Der Schutz gegen Tauben sollte schon bei der Errichtung der Anlage eingeplant werden.

Wie wichtig ist das Problem für die Photovoltaik?

Uns ist die Taubenproblematik an Photovoltaikanlagen in früheren Jahren immer nur an landwirtschaftlichen Betrieben und Getreidetrocknungsanlagen begegnet. Seit etwa 2014 hat der Befall durch Stadttauben in Süddeutschland in Regensburg, Augsburg und Ingolstadt massiv begonnen. Seitdem nimmt der Befall rasant zu. Taubenansiedelung unter Solarmodulen tritt heute flächen­deckend auf.

Wie lange dauert es, bis die Vögel eine Solaranlage für sich entdecken?

Seit 2021 erreichen uns Anfragen von frischgebackenen Anlagenbetreibern aus dem Herbst 2020 und Frühjahr 2021, unter deren Neuanlagen bereits vier Wochen nach Installation gebrütet wird. Die Entwicklung nimmt solch gravierende Ausmaße an, dass ich seit diesem Jahr die präventive Montage einer Taubenschutzmaßnahme bei Installation der Photovoltaik bis auf Weiteres empfehle.

Welche Folgeschäden kann Taubenbefall nach sich ziehen?

Die Folgeschäden lassen sich untergliedern in Auswirkungen für den Eigentümer der Immobilie und für den Betreiber der Photovoltaikanlage. Bei starkem Befall sind Dachwohnungen wegen Gestank, Taubeneintritt durch die Fenster in den Wohnraum, frühmorgendlichem Getrippel und Gegurre nicht mehr bewohn- oder vermietbar. Dachrinnen verstopfen, der Kot liegt auf Balkon und Terrasse. An Schulen, Kindergärten, Wohnheimen und in privaten Gebäuden entstehen durch die Krankheitserreger im Kot auch hygienische Probleme. Laut Aussagen von Kollegen aus der Schädlingsbekämpfung können Parasiten im Kot der Vögel über die Dachisolierung bis in den Wohnbereich gelangen.

Hier verschmutzt Taubenkot die Module und lässt Gräser sprießen.

Foto: Ökologische Solarreinigung

Hier verschmutzt Taubenkot die Module und lässt Gräser sprießen.

Welche Folgen ergeben sich für die Solargeneratoren?

Die Solarmodule verschmutzen auf dem Solarglas sehr stark mit einhergehenden Leistungsverlusten bis zu 25 Prozent. Bei Anlagen bis 28 Grad Neigung ist eine Reinigung ohne erfolgreiche Taubenvergrämung nicht lange anhaltend, weil die Vögel auf dem blanken Glas sitzen und alles binnen weniger Wochen wieder zügig verkoten. Taubenkot ist aggressiv und kann die Glasbeschichtung schädigen. Wenn Solarkabel in der typischen Anhäufung von Taubenkot eingebunden sind, löst sich sogar die Isolierung auf, es können Schmorbrände entstehen. Vereinzelt haben uns die Elektriker auch von abgerissenen Solarkabeln bei hoher Populationsdichte unter den Modulen berichtet. Taubenbefall kann auch Räuber wie den Marder anziehen. Dadurch hat man dann gleich zwei unerwünschte Tierarten unter der Photovoltaik.

Wie aufwendig ist eine Taubensanierung und welche Kosten sind damit verbunden?

Das hängt von der Befallsstärke und der Konzeption der Anlage sowie der baulichen Situation ab. Wird die Ansiedelung der Tauben ein bis zwei Jahre lang toleriert, können bereits erhebliche Kosten entstehen. Denn je nach Dachneigung, Aufbau und Zugänglichkeit wird ein Gerüst gestellt oder eine Spezialarbeitsbühne eingesetzt. Zunächst müssen die Nester entfernt, die Vögel vergrämt und Jungvögel, die noch nicht flügge sind, tierschutzgerecht versorgt werden. Dafür muss man auch Teilflächen der Solaranlage demontieren.

Je größer die Anlage auf dem Dach, desto höher die Kosten?

Bereits bei kleinen Anlagen bis zehn Kilowatt kann das Verscheuchen der Tiere eine Mammutaufgabe sein, um überhaupt Taubenschutz anbringen zu können. Denn es muss unbedingt vermieden werden, dass die Vögel lebendig unter den Solarmodulen eingeschlossen werden. Dies ist nicht nur eine Straftat, das gebieten Anstand und Ethik. Hier sehe ich durchaus Herzlosigkeit bis kriminelles Potenzial bei der gewerblichen Sanierung von Photovoltaikanlagen bei Taubenbefall.

So sieht es unter den Modulen aus.

Foto: Ökologische Solarreinigung

So sieht es unter den Modulen aus.
Der Befall mit Tauben ist nicht zu unterschätzen, wie dieses Bild zeigt.

Foto: Ökologische Solarreinigung

Der Befall mit Tauben ist nicht zu unterschätzen, wie dieses Bild zeigt.

Wenn die Tauben ordnungsgemäß verscheucht wurden, wie geht es danach weiter?

Danach werden Taubenkot und Taubenkadaver vom Dach entfernt. Bei starkem Befall wird die Anlage mit Ganzkörperschutz und Feinstaubmaske demontiert, Dach und Module werden gereinigt. Muss man größere Anlagen demontieren, braucht es zum Zwischenlagern der Solarmodule einen diebstahlsicheren Container. Dann wird an den Modulen ein Taubenschutz aus Edelstahl angeschraubt, der die Tauben verlässlich von einer erneuten Übernahme ihres Habitats abhält.

Welchen Aufwand verursacht der metallische Taubenschutz?

Je nach Produkt fallen unter Umständen zusätzliche Schneidearbeiten an, um die überstehenden Montagegestelle am Taubenschutz auszusparen oder diese abzulängen. Aussparungen für Fenster, Schächte und Lüftungsrohre, die sich häufig ohne Zugang mittig im Modulfeld befinden, müssen ebenfalls mit Taubenschutz eingehaust werden.

Wenn der Taubenschutz montiert wurde, bleibt das Problem der verschmutzten Solarmodule ...

Bei frontseitig verschmutzten Modulen wird etwa sechs bis acht Wochen später eine Reinigung der Solargläser durchgeführt. So lange dauert es normalerweise, bis die standortfixierten Tiere einen neuen Brutraum gefunden haben. In Summe sind die Sanierungskosten je nach baulicher Situation, Anlagengröße und Befallsstärke erheblich.

Über welche Kosten sprechen wir?

Bereits bei einer Kleinanlage auf einem Einfamilienhaus können 2.000 bis 5.000  Euro zusammenkommen. Bei größeren Anlagen können durchaus Kosten in Höhe von 20.000 Euro und deutlich mehr auflaufen. Dies spricht für die deutlich günstigere Prävention vor Taubenansiedelung.

Stichwort Prävention: Wäre es nicht besser, die Taubenabwehr schon bei der Planung und Installation der Anlagen mitzudenken?

Ja, natürlich. Denn definitiv kostet die Montage eines präventiven Taubenschutzes auch bei Bestandsanlagen nur einen Bruchteil an Geld, keinen Ärger und keine Nerven. Zumal die Wahrscheinlichkeit für einen Taubenbefall innerhalb der nächsten 30 Jahre sehr hoch ist. Am günstigsten ist jedoch der präventive Taubenschutz direkt bei Neuinstallation der Anlage. Zum einen kann man die Anlage planerisch so konzipieren, dass das Anbringen des Taubenschutzes überhaupt funktioniert. Die Montage des Taubenschutzes wird mit der Installation auf dem Dach erledigt. Dachreinigung und Taubenentfernung entfallen ebenfalls.

Taubennest unterm Solarmodul: Auf diese Weise entstehen gefährliche Brandherde.

Foto: Ökologische Solarreinigung

Taubennest unterm Solarmodul: Auf diese Weise entstehen gefährliche Brandherde.

Wird der Taubenschutz geschraubt oder anderweitig an den Solarmodulen befestigt?

Für die Prävention ist ein einfacher Taubenschutz zum Klemmen völlig ausreichend. Bei standortfixierten Tauben, also bei bestehendem Brutbefall, braucht es die Verschraubung mit massivem Edelstahlschutz oder Lochblech. Von der Verwendung sogenannter „technischer Bürsten“ raten wir als zu unsicherer Methode ab. Die Verwendung von sogenannten Taubenabwehrpasten verstößt streng genommen gegen das Tierschutzgesetz. Darüber hinaus gilt: Alles, was hilft und nicht schädlich ist, ist sinnvoll. Einer unserer Kunden hat auf seinem Firmengebäude lediglich ein paar Plastikraben für jeweils fünf Euro mit Kabelbinder befestigt und seitdem Ruhe vor den Tauben. Solche positiven Beispiele sind nicht die Regel, kommen aber auch vor.

Wie lässt sich das Taubenrisiko abschätzen?

Das Taubenrisiko lässt sich überhaupt nicht abschätzen, weil die Entwicklung aktuell zwar eine stark ansteigende Verlaufskurve nimmt, es aber noch gar keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Ursachen gibt. Weil man keinerlei gesicherte Grundlagen hat, ist die Zukunft überhaupt nicht prognostizierbar. Für mich ist der präventive Taubenschutz ein Beitrag der Solarbranche, um die Brutmöglichkeiten, also die unkontrollierte Vermehrung, der Taube zu begrenzen.

Was empfehlen Sie Installateuren und Anlagenplanern?

Aus Kenntnis des Verlaufs der Taubenplage in Wohn- und Gewerbegebieten empfehle ich den Anlagenbetreibern, sehr sensibel für die Thematik zu sein. Sobald eine Photovoltaikanlage wegen Taubenbefall eingehaust wird, suchen sich die Vögel einen neuen Brutplatz. Das kann eine andere Solaranlage ein paar Straßen weiter sein. Der verantwortliche Installationsbetrieb sollte deshalb in der Planungsphase auch die Umgebung des Wohn- oder Gewerbegebiets auf bereits vagabundierende Tauben oder Bestandsanlagen auf Taubenvergrämung absuchen. Oder noch besser direkt eine Taubenprävention einplanen. Die Kosten-Risiko-Abwägung fällt eindeutig für die Prävention aus. Die nachträgliche Sanierung bei starkem Befall kann die Wirtschaftlichkeit einer Photovoltaikanlage gefährden.

Die Fragen stellte Heiko Schwarzburger.

Lücken schließen: Mit solchen Gittern aus Edelstahl lassen sich die Solarmodule absichern.

Foto: Ökologische Solarreinigung

Lücken schließen: Mit solchen Gittern aus Edelstahl lassen sich die
Solarmodule absichern.

Im Interview

Michael Mattstedt

ist Inhaber der Ökologischen Solarreinigung, eines Handwerksbetriebs für die nachhaltige Reinigung von Photovoltaikanlagen. Er hat das Reinigungs-, Beratungs- und erweiterte Dienstleistungsportfolio spezialisiert auf ein aktives Photovoltaik-Lebenszyklus-Management:

Reinigungsmethode, Beratung und rechtzeitige Präventionsmaßnahmen haben das Ziel einer möglichst langen Nutzungsdauer von Photovoltaikanlagen. Dies beinhaltet vor allem die Prävention von Schäden und Materialdegradation durch rechtzeitige Maßnahmen bei chemisch-reaktivem Schmutz sowie bei Ansiedelung von pflanzlichen Organismen und Tieren.

Michael Mattstedt berät darüber hinaus in der Planungsphase von Photovoltaikanlagen zur Minimierung der Servicekosten im Betrieb. Elektrikern und Gutachtern gibt er sein Wissen und seine Erfahrungen gern weiter im Erkennen und Bewerten von Schmutzarten und deren Materialwirkung. Seit 2020 bietet er Schulungen zum Photovoltaikbeauftragten in Gewerbebetrieben mit großen Solaranlagen.

Foto: Fenecon

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