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Bidirektionales Laden

„Stromfluss muss klar sein“

Warum beschäftigt sich Compleo erst jetzt mit bidirektionalem Laden oder ist das schon immer ein Teil der Entwicklungsarbeit gewesen?

Jörg Lohr: Bidirektionales Laden ist sowohl für Compleo als auch für Kostal kein neues Thema. Durch unseren Zusammenschluss können beide Unternehmen Synergien nutzen. Kostal verfügt über langjähriges Know-how und eine starke Position im Bereich der Ladegeräte in Elektroautos. Compleo, das neue Mitglied in der Kostal-Familie, hat seine Expertise hauptsächlich im öffentlichen und halböffentlichen Laden, mit Schwerpunkten wie Authentifizierung und eichrechtskonformer Abrechnung. Diese Kombination bietet ideale Voraussetzungen, damit Kostal ein Produkt für bidirektionales Laden entwickeln kann.

Welche Entwicklungen sind für bidirektionales Laden notwendig?

Frank Burghardt: Im Projekt „Bidirektionales Laden – BDL“ haben wir ein bidirektionales System entwickelt und diverse Anwendungsmöglichkeiten getestet, aus denen potenzielle Geschäftsmodelle hervorgehen können. Kostal hat dazu die bidirektionale DC-Wallbox als zentrales Element beigesteuert. Zudem haben wir regulatorische Voraussetzungen untersucht, um herauszufinden, welche Bedingungen für die Umsetzung der Geschäftsmodelle notwendig sind.

Wie könnten technische Lösungen zum bidirektionalen Laden konkret aussehen?

Frank Burghardt: Eine bidirektionale Wallbox kombiniert eine Ladeeinheit mit netzeinspeisender Leistungselektronik, vergleichbar in Größe und Funktion mit einem Hybridwechselrichter gleicher Leistungsklasse. Sie erfordert eine galvanische Trennung zwischen AC- und DC-Seite. Durch sie wird das Auto direkt mit Gleichstrom geladen, ohne den Onboard-Charger zu nutzen. Ein Home-Energiemanagement misst den benötigten Strom am Netzanschlusspunkt des Gebäudes und fordert diesen aus dem Fahrzeug an. Die Wallbox konvertiert den DC-Strom aus der Fahrzeugbatterie in netzkonformen AC-Strom.

Was ist dafür notwendig?

Frank Burghardt: Grundvoraussetzung ist ein Auto, das bidirektionales Laden unterstützt. Es ist entscheidend, dass es über standardisierte Protokolle verfügt, sodass die Wallbox mit dem Auto und einem Energiemanagement interagieren kann. Dies ist bereits in der ISO 15118-20 und im Open Charge Point Protocol (OCPP) 2.0.1 festgelegt, um den Speicher der Elektroautos zu nutzen.

Sind Autohersteller offen dafür, dass auf die Batterie zugegriffen wird?

Jörg Lohr: Die Automobilindustrie hat sich zuerst auf Kommunikationsstandards für bidirektionales Laden gemäß ISO EN 15118-20 geeinigt. Obwohl früh Einigkeit über diese Standards bestand, dauerte die Umsetzung, da das technische Zusammenspiel neu war.

Wie wird dieses technische Zusammenspiel umgesetzt?

Jörg Löhr: Der gesamte Stromfluss in und aus dem Fahrzeug muss technisch klar definiert und die Kommunikationesprotokolle müssen standardisiert sein. Regulatorisch sollte dies so gestaltet werden, dass es sowohl wirtschaftlich sinnvoll für Marktteilnehmer ist als auch Potenzial für Geschäftsmodelle bietet, falls diese noch nicht existieren. Diese wirtschaftlichen Optionen sind essenziell für das neu entstehende Ökosystem des bidirektionalen Ladens.

Welche Geschäftsmodelle sind da vorstellbar?

Jörg Lohr: Drei zentrale Anwendungsmöglichkeiten sind zu betrachten. Erstens Vehicle to Home: Das Auto dient als mobiler Speicher zur Eigenverbrauchsoptimierung. Zweitens Vehicle to Business: Elektroautos werden in Unternehmen eingesetzt, um Spitzenlasten auszugleichen. Drittens Vehicle to Grid: Hierbei liefern Elektroautos Netzdienstleistungen. Allerdings befindet sich die Elektrizitätswirtschaft in diesem Bereich regulatorisch und betriebswirtschaftlich noch in den Anfängen.

Kommt deshalb zunächst die Nutzung des Autos als mobiler Speicher?

Frank Burghardt: Das Haus stellt den einfachsten Anwendungsfall dar. Ziel ist es, selbst erzeugte Energie im Auto zu speichern und bei Bedarf wieder abzurufen. Dies ist der erste Schritt. Das Konzept von Vehicle to Business ist ebenfalls recht einfach, wobei es zunächst darauf abzielt, Spitzenlasten zu reduzieren.

Vehicle to Grid kommt dann später?

Jörg Lohr: Zunächst muss ein Geschäftsmodell konzipiert werden, da der Autobesitzer eine Entlohnung erhalten sollte, wenn er seinen Autospeicher zur Verfügung stellt. Es wird sich wahrscheinlich ein Schwarmansatz etablieren, bei dem viele Autos zu einem Schwarmspeicher vernetzt und über ein zentrales Managementsystem gesteuert werden.

Wann wird sich das bidirektionale Laden aus Ihrer Sicht etablieren?

Jörg Lohr: Compleo und Kostal planen in Kürze ein entsprechendes Angebot. Angesichts der Fortschritte bei den Autoherstellern und der laufenden Pilotprojekte erwarten wir eine Markteinführung ab 2025. Bis dahin werden wir ein Serienprodukt lancieren.

Wird das eine Weiterentwicklung der Wallbox Enector von Kostal sein?

Frank Burghardt: Es handelt sich um ein eigenständiges Produkt. Der Enector ist eine AC-Wallbox mit vielen Funktionen, die speziell entworfen wurde, um Photovoltaikanlagen zu ergänzen und mit Solarstrom zu laden. Der Fokus liegt auf der Optimierung der Energieflüsse im Haus. Die bidirektionale Ladelösung hingegen wird eine DC-Wallbox sein und noch erweiterte Funktionen bieten.

Wird sich das in der Größe unterscheiden?

Frank Burghardt: Ja, eine DC-Wallbox mit elf Kilowatt kann nicht in derselben Größe wie eine AC-Wallbox gleicher Leistung konstruiert werden. In der DC-Wallbox ist zusätzlich eine Leistungselektronik enthalten, die Kühlung benötigt, wohingegen eine AC-Wallbox an dieser Stelle lediglich ein Relais beinhaltet.

Das heißt, dass diese Wallbox so groß ist wie ein Wechselrichter?

Frank Burghardt: Ja, das Gerät wird in etwa die Größe eines Wechselrichters vergleichbarer Leistung haben. Dennoch streben wir an, das Gewicht gering zu halten. Es sollte 25 Kilogramm nicht überschreiten, um eine problemlose Installation zu gewährleisten.

Jörg Lohr: Die Anschlusskomplexität wird für den Elektroinstallateur vergleichbar mit der eines Wechselrichters sein. Lediglich die Inbetriebnahme wird aufgrund der Kommunikation der Wallbox über das OCPP mit einer Steuerung etwas anspruchsvoller sein. Das bedeutet, der Handwerker muss möglicherweise etwas mehr konfigurieren. Bei der eigentlichen Installation gibt es jedoch keine signifikanten Änderungen.

Wird es auch eine bidirektionale AC-Wallbox geben?

Frank Burghardt: Wir befassen uns ebenfalls mit diesem Thema, doch es gestaltet sich als komplex. Bei einer DC-Wallbox sind alle Funktionen in ein Produkt integriert. Bei einer bidirektionalen AC-Lösung handelt es sich um ein Zusammenspiel zwischen einem Onboard-Charger im E-Auto und einer Wallbox. In dieser Konstellation ist es nicht machbar, gewisse erforderliche Funktionen direkt in die Wallbox zu integrieren. Daher muss es als Gesamtsystem zwischen dem netzbildenden Gerät und der Wallbox funktionieren.

Das Interview führte Sven Ullrich.

Im Interview

Frank Burghardt

verantwortet den Geschäftsbereich Charging Solutions bei Kostal. Das Unternehmen plant, seine Kompetenzen im Bereich der netzbildenden Leistungselektronik auch für das bidirektionale Laden zu nutzen.

Foto: Kostal

Jörg Lohr

ist Geschäftsführer von Compleo. Das Unternehmen ist Anbieter von Ladetechnologie und verfügt über umfassende Expertise im Backend-Betrieb von Ladeinfrastruktur sowie in den Bereichen Payment und Eichrechtskonformität.

Foto: Frank Peterschröder

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