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Stephan Schindele von Baywa r.e.: „Wir nutzen vorhandene Schutztechniken”

Worauf legt Baywa r.e. den Schwerpunkt, wenn es um die Agriphotovoltaik geht?

Wir legen das Hauptaugenmerk bei der Agriphotovoltaik derzeit auf Sonderkulturen wie den Anbau von Beeren- und Waldfrüchten oder von Kernobst. Dabei greifen wir die ohnehin vorhandenen Schutztechniken wie Hagelschutznetze, Folienschutzsysteme oder Folientunnel auf und ersetzen diese durch Solarmodule. Dadurch bringt die Photovoltaik einen zusätzlichen Nutzen für die Landwirtschaft – neben der Eigenschaft der Stromerzeugung – sowohl finanziell als auch ökologisch. Auch in Sachen Landschaftsbild sehen wir positive Effekte. Denn Plastikfolientunnel oder großflächig angebrachte Hagelschutznetze können durch sorgfältig geplante und gleichmäßige Modulreihen ersetzt werden. Für diese Anwendungen sehen wir daher sehr großes Potenzial nicht nur in Deutschland, sondern auch international.

Welche Erfahrungen machen Sie mit den Landwirten?

Teil unserer Projekte ist immer auch eine Abfrage der Zufriedenheit. Wir haben in den Niederlanden eine Versuchsanlage bei einem Landwirt errichtet, der auf einer fast zehn Hektar großen Fläche unter Folienschutzsystemen Brombeeren anbaut. Der Landwirt musste einerseits nach einem Sturm immer mit großem Arbeitsaufwand die Folien auf Schäden hin kontrollieren und wieder nachspannen oder ersetzen. Das kostet viel Geld, denn die Arbeitskosten in der Landwirtschaft steigen, ganz davon abgesehen. Doch viel wichtiger war für den Landwirt, dass er ruhiger schlafen kann. Denn bei einem Sturm macht er sich nachts Gedanken welche Schäden ihn am kommenden Tag erwarten. Das hat sich durch die Solaranlage geändert. Denn diese ist sturmsicher.

Wie sieht der finanzielle Nutzen aus – schließlich bedeutet weniger Licht auch weniger Ertrag?

Das hält sich in Grenzen. Der Himbeerlandwirt in den Niederlanden war extrem zufrieden mit der Lösung. Dort haben wir ein 3,3 Hektar großes Feld mit Modulen ausgestattet. Wir hatten damit gerechnet, dass der Ertrag um etwa fünf Prozent sinkt. Im August wurde die erste Ernte unter den Modulen eingefahren und der Landwirt hatte die gleichen Erträge wie unter dem Folientunnel.

Wie kommt das trotz Verschattung zustande?

Die Himbeere ist eine Waldfrucht und hat einen niedrigen Lichtsättigungspunkt. Ab diesem Punkt können Pflanzen zusätzliches Licht nicht in weitere Photosyntheseleistung umsetzen. Sprich die Pflanze kommt mit weniger Licht aus als andere Kulturen. Unter der Photovoltaikinstallation herrscht darüber hinaus eine bessere Durchlüftung und eine niedrigere und stabilere Temperatur – alles Faktoren, die das Pflanzenwachstum begünstigen. Im konkreten Fall kommt außerdem hinzu, dass im Feld bisher einige Hecken zum Windschutz standen. Die konnten durch die Solaranlage wegfallen. Dort stehen jetzt zusätzliche Himbeersträucher und die Leistungselektronik sowie die Trafos für die Solaranlage. Dadurch konnte der Landwirt die Anbaufläche um zehn Prozent erhöhen.

Wie wirkt sich dann die zusätzliche Photovoltaik finanziell aus?

Der Landwirt profitiert finanziell insbesondere durch den Wegfall der Investition in die Folienbespannung, die im gleichen Zeitraum rund sechsmal erneuert werden müsste. Eingespart wird außerdem die Holzkonstruktion für die Pflanzen, die ebenfalls mindestens einmal erneuert werden müsste. Zudem entsteht weniger Folienmüll und die Arbeitszeit für den Auf- und Abbau sowie die Instandhaltung der Folienanlage wird gespart.

Erhöhen solche Ansätze auch die Akzeptanz?

Ja. Solarparks stoßen zwar immer wieder auf Vorbehalte. Doch die Agriphotovoltaikanlagen ersetzen schließlich die ebenfalls umstrittenen Folienschutzsysteme. Aus der Akzeptanzforschung, die das erste Agriphotovoltaikprojekt in Heggelbach begleitet hat, wissen wir, dass von allen erneuerbaren Energien Photovoltaikaufdachanlagen und die Agriphotovoltaik die höchsten Zustimmungswerte genießen.

Das Gespräch führte Sven Ullrich

Stephan Schindele hat am Fraunhofer ISE zehn Jahre lang das Thema Agriphotovoltaik maßgeblich mitentwickelt. Er hat für das Freiburger Forschungsinstitut eine Pilotanlage in Hegelbach am Bodensee technisch und wissenschaftlich begleitet. Seit Anfang 2020 ist er bei Baywa r.e. für die Verknüpfung von Photovoltaik mit der Landwirtschaft zuständig.

Im ersten Teil des Interviews berichtet Stephan Schindele über den technischen Stand, den er einst am Fraunhofer ISE mitentwickelt hat, bevor er zu Baywa r.e. gewechselt ist.

Im dritten Teil des Interviews erfahren Sie, welchen wirtschaftlichen Mehrwert die Agriphotovoltaik für die Landwirte hat.

Zum Weiterlesen:

SPE schlägt Photovoltaik als Teil der Agrarpolitik der EU vor

Fraunhofer ISE und Baywa r.e. bauen Solaranlage über Apfelbäume