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Die Überflieger

Herbsen, eine Dreiviertelstunde Autofahrt von Kassel, ist eine 300-Seelen-Gemeinde. Ein beschauliches Dorf inmitten von Feldern und Wäldern. Photovoltaik wird hier großgeschrieben.

Rund 700 Kilowatt Anlagenleistung finden sich auf den landwirtschaftlichen Gebäuden und Einfamilienhausdächern des Ortes. Auch Helmut Butterweck hat auf einem Gewerbedach eine Anlage installiert. Auf dem Grundstück, auf dem früher sein Vater ein Sägewerk betrieb, baute er 2012 eine Halle und ließ auf dem Trapezblechdach eine Solaranlage mit 88 Kilowatt Leistung installieren. Das rund 600 Quadratmeter große Dach beherbergt den Wechselrichterraum und dient als Lager für Schnittholz.

Helmut Butterweck hat einige Dächer in Deutschland gepachtet und dort Solaranlagen errichtet. Auch in einem Großprojekt im Allgäu ist er als Teilhaber vertreten. Bei seinen Projekten stand für ihn vor allem die Risikostreuung im Vordergrund. Er ist zufrieden mit den Erträgen, die seine Anlagen bringen. Größere Installationsfehler, Komponentenfehler oder Schäden durch Wetter oder Diebstahl hat er nicht zu beklagen. Aber jetzt wollte er es genauer wissen. Vor allem interessierte ihn, wie er mit relativ geringem Aufwand seine Anlagen überprüfen lassen kann. Er lud deshalb Thomas Reusch in sein Heimatdorf ein, um die dortige Solaranlage mit Thermografie aus der Luft vermessen zu lassen. Und er lud sein Installateursteam – einen Dachdeckermeister und einen Elektriker – zu der Vorführung ein. Auch ein Vertreter eines Windparkbetreibers und weitere Handwerker aus der Gegend mit Interesse für die Technologie und ihre Möglichkeiten kamen an diesem Tag nach Herbsen.

Ultraleichte Technik

Pünktlich um elf Uhr sind alle versammelt. Thomas Reusch von Airscan Europe ist aus dem Westerwald angereist. Seit nunmehr vier Jahren ist er mit seinem Unternehmen auf Foto, Video- und thermografische Inspektionsflüge spezialisiert. Der studierte Maschinenbauingenieur kam über die Solarthermie zur Photovoltaik. Er plante und baute Anlagen. Inzwischen hat er im In- und Ausland rund 150 Einsätze mit Drohne und Thermografiekamera über Dach- und Freiflächenanlagen durchgeführt.

Reusch holt den Oktokopter aus seinem Kofferraum und stellt ihn auf die Erde. Rund drei Kilogramm wiegt das Gerät ohne die beiden Kameras und die Akkus. Überflüssiger Ballast ist nicht zu entdecken. Zum Teil sind Abdeckungen abgeschraubt, sodass man auch viel vom Innenleben der Drohne sehen kann. Der Flugroboter ist eine Anfertigung der Firma Eagle Live. Das Unternehmen variiert bei seinen Oktokoptern je nach konkretem Einsatzzweck die Komponenten. Im Falle von Airscan wiegt das Gerät mit Kameras und zwei Akkus genau 4,8 Kilogramm. Rahmen und Rotorblätter sind aus Karbon, also ultraleicht.

Obwohl nicht vorgeschrieben, hat das Gerät auch zwei Positionsleuchten. Diese helfen bei der Orientierung, denn obwohl das Flugobjekt symmetrisch ist, gibt es ein Vorn und ein Hinten – nämlich ganz einfach definiert durch die Kameralinsen. Um also vom Boden aus nicht die Orientierung zu verlieren, sind die zwei besonders hellen LED-Leuchten eine große Hilfe. Sie sind auch noch aus großer Entfernung leicht zu unterscheiden, eine leuchtet grün, die andere rot.

Nicht ohne Erlaubnis

Thomas Reusch hat für dieses Fluggerät eine allgemeine Aufstiegserlaubnis, die von der jeweiligen Landesluftfahrtbehörde ausgestellt wird, in diesem Fall für das Bundesland Hessen. Für unbemannte Luftfahrtsysteme, die nicht zu Sport- und Freizeitzwecken eingesetzt werden und unter fünf Kilogramm wiegen, ist solch eine allgemeine Erlaubnis möglich. Wiegt das Fluggerät mehr, muss für jeden Aufstieg eine Sondergenehmigung beantragt werden.

Trotz vorhandener allgemeiner Aufstiegserlaubnis muss jeder Flug bei den örtlichen Behörden, meist Ordnungsamt oder Polizei, angemeldet werden. Diese wollen Bescheid wissen, wenn besorgte Bürger anrufen, die plötzlich unbemannte Flugobjekte um die Häuser schwirren sehen. Da Reusch fast ausschließlich mit seiner Drohne unterwegs ist, kennt er sich inzwischen mit den behördlichen Vorgaben recht gut aus: „Da haben die einzelnen Bundesländer doch mitunter sehr spezielle Vorgaben, aber zum Glück geht es gerade ein gutes Stück vorwärts in Richtung Vereinheitlichung.“ Mit seiner Drohne hilft Reusch unter anderem bei der Landvermessung, bei der Gletschervermessung oder auch bei der optischen Inspektion von Windradrotoren.

800 Watt pro Quadratmeter

800 Watt pro Quadratmeter – das ist ähnlich wie bei einer Kennlinienmessung die notwendige Sonneneinstrahlung für eine belastbare Thermografiemessung. Das Wetter an diesem Tag ist allerdings launisch. Wolken ziehen über den Himmel und sorgen immer wieder dafür, dass das Messgerät, mit dem Reusch die Sonneneinstrahlung misst, unter 600 Watt pro Quadratmeter anzeigt. Zum Glück hat Helmut Butterweck für das leibliche Wohl gesorgt.

So ist bei Kaffee und Snack ein entspannter Austausch über die Einsatzmöglichkeiten und technischen Details möglich. Schließlich lässt Reusch trotz niedriger Einstrahlung die Drohne zum ersten Mal in die Luft steigen. Er schnallt sich die Steuereinheit um und drückt seinem Kunden in spe den zweiten portablen Monitor in die Hand. Darauf kann Butterweck die Aufnahmen in Echtzeit verfolgen.

Startbahn frei

Reusch setzt die beiden Akkus ein und macht einen kurzen Funktionstest der Rotoren. Acht Stück sind es an der Zahl, jeder davon mit einem kleinen Motor ausgestattet. Mit einem kurzen Piep und einer energischen Rotordrehung melden sich die acht Antriebseinheiten betriebsbereit. Die beiden installierten Kameras werden eingeschaltet, eine Optris PI 450 Lightweight und eine Gopro für die Echtbildaufnahmen. Übrigens sind auch die Windverhältnisse zu beachten. Bei mehr als acht Metern Windgeschwindigkeit pro Sekunde darf die Drohne nämlich nicht aufsteigen. Das entspricht ungefähr 26 Kilometern pro Stunde. Windböen könnten das Gerät in der Luft ins Trudeln bringen und damit einen jederzeit voll kontrollierten Flug stören.

Neben dem Funktionstest ist auch vor jedem einzelnen Aufstieg eine Kalibrierung notwendig. Das Gerät muss sozusagen genullt werden. Die eingebauten Sensoren wissen dann, was ihre Nullposition ist. Ähnlich wie bei einer Black Box im Flugzeug messen die Gyroskope die Telemetriedaten, Flughöhe, Akkuspannung, Flugzeit und alle Steuerungsbewegungen und zeichnen diese auch auf. Rein theoretisch könnte also jeder Flug exakt wiederholt werden. Die Verbindung zwischen Steuereinheit, die sich der Pilot um den Bauch schnallt, und dem Fluggerät läuft über eine Funkfrequenz.

Schließlich bittet Reusch die Anwesenden, aus dem Bereich der Startbahn rund fünf Meter zurückzutreten. Mit einem leisen Brummen steigt der Oktokopter anschließend in die Luft. Reusch lenkt ihn in etwa 20 Meter Höhe und lässt ihn über das Dach gleiten. Zunächst richten sich alle Blicke nach oben, aber schon bald wandert das Interesse zum zweiten Minimonitor, den Helmut Butterweck in den Händen hält. Er kann ebenso wie Reusch an seiner Steuereinheit zwischen Thermografie- und Echtbild hin- und herwechseln und seine Anlage aus der Perspektive der Kameras in der Luft betrachten.

Rund fünf Minuten dauert dieser Flug. Dann landet die Drohne wieder sicher und unaufgeregt genau am Startplatz. Zwar können die Thermografieaufnahmen wegen der geringen Sonneneinstrahlung nicht für die Auswertung benutzt werden, aber um das Zusammenspiel der Technik zu verstehen, war dieser Flug bereits sehr aufschlussreich.

Kaum etwas bleibt verborgen

Beim Warten auf das nächste Sonnenfenster werden die gemachten Aufnahmen dennoch sehr eingehend studiert. Bei den gespeicherten Daten kann man ähnlich wie an einem Videoschnittplatz zu einer bestimmten Stelle der Aufnahme gehen und sich das Einzelbild anschauen, auch in diesem Fall Echt- und Thermografieaufnahme wahlweise betrachten. Weder die Echtbilder noch die Thermografien zeigen irgendwelche Auffälligkeiten. „Was könnte man denn sehen?“, fragen die Anwesenden.

Thomas Reusch zeigt die Aufnahmen einer anderen Anlage, bei der an einzelnen Modulen Glasbruch zu erkennen ist. In diesem Fall sieht das Modul aus wie eine Patchworkdecke, einzelne Rechtecke, nicht unbedingt identisch mit den Zellen, leuchten aufgrund ihrer höheren Temperatur erkennbar auf.

Aber auch erwärmte und deshalb eventuell kaputte Bypassdioden sind auf diese Weise gut zu erkennen und natürlich Strings, die überhaupt nicht in Betrieb sind – was immer wieder vorkommt.

Dachdecker Heinrich Koch, der die Anlage montiert hat, sieht für sich gleich weitere Einsatzmöglichkeiten. Er hat oft Angebote für Dächer zu erstellen, deren Vermessung schwierig ist. Zum Beispiel ist das aktuell bei einer Klosteranlage der Fall. Er fragt deshalb nach, ob auch in diesem Fall Luftaufnahmen helfen könnten.

Vermesser entdecken die Technik

Da ist er bei Reusch richtig. Denn gerade in der Vermessung ergeben sich mit Luftaufnahmen mittels Drohnen neue Einsatzfelder. Reusch arbeitet auch regelmäßig mit Vermessern zusammen. In diesem Fall werden im Gelände bestimmte Punkte markiert und die GPS-Daten in das Gerät eingegeben. Das Gerät fliegt dann genau diese georeferenzierten Wegpunkte ab und der Vermesser kann so die Erdoberfläche bis auf zwei Zentimeter genau vermessen.

Auch der Vertreter eines nahe gelegenen Windparks ist ernsthaft interessiert, demnächst mit dieser Technik Windgeneratoren zu untersuchen. Denn Risse oder andere Materialermüdungen sind mit entsprechenden Aufnahmen sehr gut zu erkennen. Die Bilder werden in Full-HD-Qualität auf einen 32-Zoll-Monitor in Echtzeit übertragen.

Die optimale Flughöhe

Endlich ist ein größeres Wolkenloch in Sicht. Ist es groß genug, für vier bis fünf Minuten genügend Sonneneinstrahlung auf die Anlage durchzulassen? Thomas Reusch ist Hobby-Segelflieger. Ihm ist der Blick zum Himmel, das Einschätzen des Windes und der Wetterverhältnisse in Fleisch und Blut übergegangen. Er ist optimistisch. Ja, das wird reichen. Und so ist es auch, das bestätigt die Messung. Als schließlich nach rund anderthalb Stunden Warten die Sonne ungehindert und gleichmäßig direkt auf die Anlage scheint, lässt er die Drohne erneut aufsteigen. Diesmal werden die Aufnahmen für eine spätere Datenauswertung reichen.

Jetzt allerdings lässt Reusch den Flugroboter nur circa fünf bis zehn Meter über der Anlage fliegen, denn natürlich sind aus der Nähe die Auflösungen besser. Die optimale Flughöhe hängt von der Größe der Anlage ab. „Es ist immer gut, ein Gesamtbild der ganzen Anlage zu haben. Dann sind vor allem Stringausfälle gut zu sehen“, erklärt Reusch. Um aber andere Temperaturdifferenzen genau zu messen, ist eher eine Flughöhe von fünf bis zehn Metern über den Modulen optimal.

Auswertung am Computer

Auch diesmal kehrt die Drohne sicher an ihren Startplatz zurück. Das war’s. Der Rest passiert im heimischen Zehnhausen am Computer. Dort nimmt Thomas Reusch die SD-Karten aus den Kameras und liest die Daten ein. Die Thermografiedaten wertet er mit der Software des Kameraherstellers Optris aus. De facto hat er Videoaufnahmen mit 15 Bildern pro Sekunde im Kasten. Er schaut sich die Aufnahmen an, extrahiert Einzelbilder und schaut sich etwaige Auffälligkeiten genauer an. Anschließend erhält der Kunde einen ausführlichen Bericht. Darin sind dann alle möglichen Fehler genau beschrieben, mit Thermografieaufnahme und Echtbild dokumentiert, die mögliche Fehlfunktion und die genaue Position des betroffenen Moduls beschrieben.

Im Falle von Butterwecks Anlage ist dieser Bericht sehr kurz. Es hat keine Auffälligkeiten gegeben. Das hatte Butterweck auch so vermutet. Er war optimistisch, dass die Anlage einwandfrei funktioniert. Er kennt allerdings größere Anlagen, deren Erträge nicht den Prognosen entsprechen. Hier wird er anregen, die betroffenen Anlagen mittels Thermografie aus der Luft inspizieren zu lassen.

www.airscan-europe.com

BMVI

Wichtige Regeln

Unbemannte Luftfahrtsysteme (UAS) sind unbemannte Fluggeräte, die nicht zu Zwecken des Sports oder der Freizeitgestaltung betrieben werden. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat in einer Informationsbroschüre die wichtigsten Regeln zusammengefasst, die bei der Nutzung zu beachten sind. Grundsätzlich ist der Betrieb erlaubnispflichtig. Verboten ist der Aufstieg außerhalb der Sichtweite des Steuerers oder mit einer Gesamtmasse von über 25 Kilogramm.

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