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“Das ist ein neues Geschäftsmodell.“

Wie viel Solarenergie lässt sich ins Stromnetz integrieren, ohne größeren Trassenbau?

Bernd Engel: Ich bin der festen Überzeugung, dass in der augenblicklichen Situation die von der Bundesregierung für die Förderung festgesetzten 52 Gigawatt Leistung ohne größere Investitionen ins Niederspannungsnetz aufgenommen werden können. Die Zahlen in einigen aktuellen Studien wie der Verteilnetzstudie der Deutschen Energieagentur halte ich schlicht für übertrieben. Diese nimmt an, dass zum derzeitigen Ausbau die gleiche Leistung hinzukommt. Für die ländlichen Regionen würde dies einen erheblichen Netzausbau bedeuten. An dieses Szenario glaube ich allerdings nicht.

Welche neuen Herausforderungen gibt es durch den Ökostromausbau für das Übertragungsnetz?

Auf der Übertragungsebene müssen die Windleistungen von On- und Offshore ins Landesinnere transportiert werden. Auch die Anbindung der neuen Bundesländer muss durch neue Leitungen weiter verbessert werden. Nur so ist ein großflächiger Leistungstransport zu bewältigen. Das gilt allerdings mehr für den Ausbau der Windenergie, weniger für die Photovoltaik. Ich bin aber auch der Meinung, dass dieser Ausbau Sinn macht und wir Wind im Energiemix brauchen. Die Solarstromerzeugung ist dagegen weitaus dezentraler. Sie betrifft meist die unteren Spannungsebenen des Verteilnetzes, insbesondere das 400-Volt-Niederspannungsnetz.

Und wie sieht es dort aus?

An einigen Stellen muss das Netz verstärkt werden, um an Schwerpunkten des Solarausbaus gerade in Süddeutschland die nötige Kapazität zur Verfügung zu stellen. Allerdings sollte dies mit Augenmaß geschehen. Durch die letzte Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gibt es durchaus einen Trend weg von Photovoltaikgroßanlagen hin zu kleineren Anlagen in städtischen und vorstädtischen Gebieten. Die Netzkapazität ist hier noch nicht ausgeschöpft, sodass in Bezug auf die Photovoltaik keine Notwendigkeit für einen zusätzlichen Trassenausbau besteht.

Ist ein höherer Photovoltaikzubau in Städten vorteilhaft, um den Netzausbau zu minimieren?

Wenn auf den Eigenheimen und Supermärkten Anlagen für den Eigenverbrauch entstehen, ist kein zusätzlicher Netzausbau nötig. Im Moment sind die Netze dort ausreichend für die Lasten dimensioniert, dort sehe ich keine Spannungsprobleme. Im Gegensatz dazu stehen die ländlichen Gegenden, wo größere 30-Kilowatt-Anlagen und Solarparks ans Netz gehen.

Gibt es andere, möglicherweise günstigere Alternativen zu mehr Netzausbau?

Die meistgewählte Methode in der Vergangenheit war einfach, neue Kupferkabel zu legen, um damit das Spannungsproblem zu lösen. Da wäre es häufig günstiger, regelbare Ortsnetztrafos zu installieren. Noch besser wäre es, diese mit einer Infrastruktur für Smart Meter zu koppeln. Die Netzbetreiber wissen dann, wie die Spannung an kritischen Punkten ist, und können gezielt nachregeln. Leider ist die Bereitschaft aller Netzbetreiber hierzulande für intelligente Methoden noch nicht sehr ausgeprägt. Die Technik der Ortsnetztrafos ist seit diesem Jahr serienreif und kann damit eingesetzt werden.

Ist das denn auch kostengünstiger?

Ja, es sind geringere Kosten für den Betreiber, als die Straße aufzureißen und mehrere Hundert Meter Kabel zu verlegen. Auf dieser Ebene gibt es ein Spannungsproblem und keinen Engpass von Leitungskapazitäten. Anders als beim Windstrom im Norden Deutschlands.

Kann die neue Netztechnik auch ein Exportschlager in alle Welt werden?

Deutschland ist durch den starken Photovoltaikausbau führend bei der Netzintegration von Ökostrom. Die Forschungsprojekte liefern interessante Ergebnisse beispielsweise für die erneuerbare Stromversorgung von großen Inseln. Dort gelten höhere Anforderungen, weil der Solarstrom schnell einen höheren Anteil am Energiemix hat als im europäischen Verbundnetz. Aber selbstverständlich wird die Technik mit dem steigenden Anteil von erneuerbarem Strom in den Netzen langfristig weltweit gefragt sein.

Wie können künftig die rotierenden Massen der Großkraftwerke ersetzt werden? Was können Erneuerbaren-Anlagen leisten?

Die Großkraftwerke sind für eine Reihe von Systemdienstleistungen verantwortlich. Sie liefern beispielsweise Blindleistung für die Spannungshaltung. Zudem leisten sie einen Beitrag für die Frequenzregelung sowie die Primär-, Sekundär- und Minutenreserve für die Regelenergie. All das kann perspektivisch auch durch große Photovoltaikkraftwerke geleistet werden. Das bedeutet allerdings einen gewissen Aufwand für die Steuerungstechnik, der vergütet werden muss. Die rotierenden Massen, die künftig durch immer weniger konventionelle Großkraftwerke im Netz sein werden, dämpfen den Frequenzabfall beim Ausfall eines Stromerzeugers. Auch das können Erneuerbaren-Kraftwerke leisten, gerade weil der Ort der Erfüllung nicht so wichtig ist – laut regulatorischen Vorgaben muss die Leistung nur innerhalb von Deutschland erbracht werden.

Was müssen Solarwechselrichter heute leisten, um Blindleistung für das Stromnetz bereitzustellen?

Ein Beispiel sind große Solarparks wie in Templin, die nachts Blindleistung für den Netzbetreiber liefern, damit dieser ein ausgeglichenes Blindleistungsverhalten gegenüber dem vorgelagerten Übertragungsnetzbetreiber hat. Die Parks ersetzen dann statische Blindleistungskompensationsanlagen. Der Netzbetreiber spart dadurch, weil er weniger Infrastruktur benötigt. Für den Zusatzaufwand müsste er allerdings die Anlagenbetreiber bezahlen. Die Erhaltung der Systembilanz für Blindleistung in höheren Spannungsebenen ist ein kostbares Gut.

Denken Sie, dass die Vergütung dieser Systemdienstleistung in einem neuen EEG berücksichtigt wird?

Das wird hoffentlich kommen. Derzeit gibt es aber noch regulatorische Hindernisse. Die Vergütung von Blindleistung wird von der Bundesnetzagentur nicht so angerechnet wie eine Investition in technisches Gerät. Betriebs- und volkswirtschaftlich wäre das aber sehr sinnvoll – so könnten Kosten eingespart werden.

Können alle Solarparks Blindleistung liefern?

Ja, fast alle. Seit der Richtlinie des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft von 2008 müssen alle Photovoltaikparks, die an der Mittelspannung angeschlossen sind, diese Leistung verpflichtend liefern. Aber es gibt noch Luft nach oben. Der Mehraufwand müsste aber, wie gesagt, vergütet werden. Das ist ein neues Geschäftsmodell.

In welcher Höhe müsste die Vergütung Ihrer Meinung nach liegen?

Da es noch keinen transparenten Blindleistungsmarkt gibt, ist eine abschließende Aussage noch nicht möglich. Erste Abschätzungen zeigen, dass ein Preis von etwa einem Cent pro Kilovarstunde vergütet werden sollte. Die Kosten für die Blindleistungsbereitstellung durch Photovoltaik-Großanlagen sind übrigens im gleichen Größenordnungsbereich wie durch das umgerüstete Kernkraftwerk Biblis A. Das ist nach dem Atomausstieg zu einem Phasenschieber umgebaut worden, um Blindleistung für das süddeutsche Übertragungsnetz zu liefern. Mit Solarparks ließe sich die Leistung allerdings deutlich dezentraler und zielgerichteter erstellen.

Wie sieht es denn mit einer Leistung für die Frequenzhaltung aus?

Auch dort müssten regulatorische Bedingungen angepasst werden. Die größeren Solarparks müssten an der Minutenreserve teilnehmen und mitbieten können, beispielsweise als Teil virtueller Kraftwerke.

Sie haben Smart Meter angesprochen. Welche Erwartungen haben Sie an deren Einführung?

Ich bin nach dem Bericht der Berater von Ernst & Young für das Bundeswirtschaftsministerium ernüchtert. Kleine Photovoltaikanlagen ab 250 Watt sollen mittels Smart Meter, einem intelligenten Messsystem, abgeregelt werden. Dabei liegen die Kosten pro Anlage für die Einrichtung dieses Steuerungssystems über die gesamte Lebensdauer bei über 2.000 Euro. Deshalb müssen Klein- und Kleinstanlagen von der Regelung ausgenommen werden. Ansonsten bedeutet die Einführung von Smart Metern eine Verdrängung von kleinen Solaranlagen. Oder die Besitzer werden in die Guerilla-Photovoltaik gedrängt und installieren ihre Anlagen über nicht angemeldete Netzstecker-Solarmodule.

Wie bewerten Sie das Anschließen von Kleinanlagen auf eigene Faust im Guerilla-Stil?

Es sollten definitiv die Richtlinien des VDE für die Niederspannungsebene eingehalten werden. Zudem sollten die Anlagen dem Netzbetreiber gemeldet werden, und nur ein Fachinstallateur sollte die Kleinstanlage anschließen. Auf keinen Fall sollte ein Haushalt einfach die Anlage in die Steckdose stecken und einspeisen.

Woran arbeitet ein Konzern wie SMA derzeit? Was könnten Wechselrichter noch leisten?

Ganz oben auf der Liste steht die Integration von Wechselrichtern und Stromspeichern in ein Energiemanagementsystem, um die Eigenverbrauchsquote der Anlagenbetreiber zu erhöhen. Darüber hinaus werden die Systemdienstleistungen von großen Solarparks vorangebracht. Sei es aufgrund neuer Anschlussbedingungen oder für die Teilnahme an neuen Strommärkten.

Welche Eigenverbrauchsquote ist derzeit erreichbar?

Mit einem Batteriespeicher ist eine Quote um die 60 Prozent erreichbar. Die Kosten für den Speicher sollten immer im Blick behalten werden. Eine größerer Speicher würde die Kosten wesentlich steigern.

Ist ein höherer Eigenverbrauch kritisch für die Netzstabilität, wenn die Anlagenbetreiber das Stromnetz als Back-up nutzen?

Nein, wenn die Speicher die Regelungen des Förderprogramms der KfW-Bank befolgen, die einen netzdienlichen Betrieb einfordern, ist der eigene Verbrauch in jedem Fall positiv. Er verringert klar den nötigen Netzausbaubedarf. Die Einspeiseleistung von Eigenverbrauchsanlagen wird dann auf 60 Prozent reduziert, damit kann der Netzbetreiber insgesamt mehr Photovoltaikanlagen ans Netz bringen. Wenn es künftig viele dieser kleinen Kraftwerke gibt, kann die starke Mittagseinspeisung ein Stück weit in die Verbrauchsspitze am Abend verlagert werden.

Können auch kleinere Aufdachanlagen einen Systembeitrag leisten?

Bei beispielsweise einer Million Solaranlagen mit durchschnittlich zehn Kilowatt installierter Leistung wären das zehn Gigawatt Leistung. Die maximale Einspeisung läge dann bei sechs Gigawatt. Gespeicherte Kilowattstunden tragen dazu bei, dann die Lastspitze für die konventionellen Kraftwerke in den Abendstunden zu reduzieren. Wenn die Anlagen sich netzdienlich verhalten, wäre das sicherlich ein guter Beitrag zur Energiewende.

Das Gespräch führte Niels Hendrik Petersen.

Fachforum in Kassel

https://www.otti.de/

Photovoltaikanlagenam Stromnetz

Am 21. und 22. November 2013 trifft sich die Erneuerbaren-Branche auf dem Fachforum von Otti in Kassel. Die Anzahl der Photovoltaik-, Wind- und Biogasenergieanlagen, die ihren Strom ins Netz einspeisen, steigt ständig. Zahlreiche Bedingungen sind allerdings beim Anschluss zu beachten. Ausgehend von Grundlagen zum Aufbau der elektrischen Energieversorgungsnetze gibt die Veranstaltung die Möglichkeit, alle juristischen und technischen Probleme darzustellen. Dabei geht es sowohl um die einspeisende Anlage als auch um die Herausforderungen für das Stromnetz. Themen: Solarwechselrichter als Schnittstelle zum Netz, die Zertifizierung von Solaranlagen und die Arbeit der Clearingstelle EEG. Das Fachmagazin photovoltaik begleitet die Veranstaltung als Medienpartner.

IHS-Marktstudie

Preiskampf bei Wechselrichterherstellern

Das weltweite Marktvolumen für Wechselrichterhersteller wird im Jahr 2013 um neun Prozent abnehmen. Der Grund dafür sei ein schneller Preisverfall bei Wechselrichtern in Großprojekten und der Kostendruck auf reifen Märkten wie Italien und Deutschland. Das berichten die Analysten von IHS in ihrem aktuellen Report „PV Inverter Market Tracker“. Obwohl der gesamte Photovoltaikmarkt um rund sieben Prozent wächst, zeigen IHS-Untersuchungen, dass die Einnahmen der Wechselrichterhersteller von 7,1 Milliarden US-Dollar im Vorjahr auf 6,4 Milliarden im Jahr 2013 sinken werden. Ein Einbruch von rund fünf Prozent war von den Analysten erwartet worden. Pro Watt bedeutet das im Mittel einen Wechselrichterpreis von 18 Dollarcent im Vergleich zu 22 Cent im Vorjahr. Wechselrichter wandeln den Gleichstrom einer Solaranlage in Wechselstrom um, nur so kann er ins öffentliche Stromnetz eingespeist werden. Da die Systempreise für Photovoltaikanlagen insgesamt sinken, geraten alle Hersteller der Produktionskette unter Druck – auch Wechselrichterhersteller. „In den vergangenen Jahren haben vor allem Modulhersteller den Preisdruck gespürt“, sagte IHS-Berater Cormac Gilligan. Die Modulpreise beginnen nun wieder zu steigen. „Das hat Folgen für die Wechselrichterhersteller, der Preisdruck erreicht nun ihr Segment“, so Gilligan. Ein Beschleuniger für den Preisniedergang sei die Kürzung der Solarförderung in großen Märkten wie Deutschland oder Italien. Der Markt in diesen beiden Ländern sackt von 11,5 Gigawatt 2012 auf 5,7 Gigawatt in diesem Jahr zusammen. Der kleinere Markt lässt europäische Wechselrichterhersteller wie SMA oder Kaco New Energy „aggressiv“ in neue Märkte wie Südafrika oder Thailand expandieren, erklärt Gilligan.

http://www.ihs.com

EINSPEISEMANAGEMENT

https://www.solarwirtschaft.de/

Deadline rückt näher

Die Übergangsfrist für den Einbau der technischen Voraussetzungen zur Teilnahme von Solarstromanlagen am Einspeisemanagement läuft ab. Bis zum 1. Januar 2014 müssen alle Anlagen mit einer Leistung zwischen 30 und 100 Kilowatt so umgerüstet sein, dass sie der Netzbetreiber von der Ferne aus zumindest an- und ausschalten, im Idealfall aber auch abregeln kann. Die Betreiber kleinerer Anlagen können sich entscheiden, ob sie am Einspeisemanagement teilnehmen oder die Einspeiseleistung ihres Generators auf 70 Prozent der Leistung begrenzen. Das ist vor allem für Betreiber von Solarstromanlagen interessant, die ohnehin ihre Anlage mit hohem Eigenverbrauch betreiben und die Nachrüstung eines Stromspeichers erwägen. Insgesamt sind etwa 70.000 Photovoltaikanlagen, die zwischen 2009 und 2011 ans Netz gegangen sind, von der Regelung betroffen. Ab Anfang 2012 neu errichtete Anlagen müssen zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme ohnehin schon entsprechend ausgerüstet sein.

Konferenz in Berlin

https://www.otti.de/

Stromnetze für Erneuerbare

Netzbetreiber, Stadtwerke, Energieversorger, Gerätehersteller und Systemanbieter sowie Forscher und Regulierer diskutieren am 29. und 30. Januar 2014 im Berliner Hilton Hotel darüber, wie die künftigen Stromnetze aussehen müssen. Eine weitere Erhöhung der Anteile fluktuierender und teilweise dezentraler erneuerbarer Stromerzeugung erfordert die Abstimmung verschiedener Interessensvertreter aus Wirtschaft, Politik und Technik. Zusätzliche Themen: Systemdienstleistungen von Erneuerbaren, Flexibilitätspotenziale, Netzplanung und -betrieb, das Smart Grid mit Informations- und Kommunikationstechnik, Speicher und Energiemanagement sowie künftige Geschäftsmodelle.

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