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BIPV

Kein Feuer in der Fassade

Der Schock sitzt tief. Nicht nur bei den Bewohnern des Hochhauses in der spanischen Metropole Valencia, das im Februar 2024 komplett ausgebrannt ist. Auch die Baubranche schaut mit Entsetzen auf die Katastrophe. Denn deren Grund war offenbar ein falsches Baumaterial. Das Feuer hat sich rasend schnell durch eine brennbare Dämmung gefressen, die in der Fassade eingebaut war.

Auch wenn das Gebäude mit Aluminiumpaneelen und nicht mit Solarmodulen eingekleidet war, öffnet das Beispiel Valencia auch der Solarbranche noch stärker die Augen, dass der Brandschutz ein enorm wichtiger Punkt ist, den es bei der Integration von Photovoltaikmodulen in der Fassade zu beachten gilt.

Nicht erst seit dem Großbrand in Valencia, sondern schon länger beschäftigt sich die Schweizer Solarbranche mit dem Thema Brandschutz an Solarfassaden. „In der Schweiz regeln die Brandschutzvorschriften der Kantonalen Gebäudeversicherung (VKF) den gesamten Bau. Die Gebäudeversicherer der Kantone geben als Behörde die Bauprojekte frei. Die Brandschutzvorschrift ist aber alt und die Photovoltaik passt nicht da hinein“, weiß Christian Renken, Geschäftsführer des Photovoltaikplaners CR Energie. Das Unternehmen in Collombey im Südwesten der Schweiz hat sich auf die Planung von Solarfassaden spezialisiert.

Brandschutzrichtlinie veröffentlicht

Christian Renken kennt die Realitäten bei der Umsetzung von bauwerkintegrierten Photovoltaikanlagen (BIPV) und den Markt ganz genau. „Das Problem ist: Bei mittelhohen Häusern darf man Materialien mit nur geringem, bei Hochhäusern nur Materialien ohne Brandbeitrag verwenden“, erklärt er. „Das Solarmodul mit seiner Einkapselungsfolie aus EVA oder PVP liefert aber einen Brandbeitrag. Deshalb sind sie nicht konform mit den Brandschutzvorschriften der VKF. Das hat in der Schweiz zur Verunsicherung geführt. So wurden im Kanton Zürich alle Solarprojekte in der Fassade blockiert, weil es keine klare Entscheidungsgrundlage bei den Behörden gab“, erklärt Christian Renken. Das soll sich jetzt ändern. Denn im vergangenen Jahr hat der Branchenverband Swissolar zusammen mit der VKF eine Brandschutzrichtlinie für hinterlüftete Photovoltaikfassaden veröffentlicht.

Die Anforderungen an den Brandschutz sinken, wenn die Fassade keine Öffnungen wie beispielsweise Fenster hat.

Foto: Velka Botička

Die Anforderungen an den Brandschutz sinken, wenn die Fassade keine Öffnungen wie beispielsweise Fenster hat.

Swissolar legt Leitfaden vor

Die Richtlinie ist zwar erst einmal ein Übergangsdokument. Doch daran können sich Planer und Projektierer genauso wie Architekten, Bauherren und Behörden orientieren, was beim Brandschutz in Solarfassaden zu berücksichtigen ist und welche Nachweise erbracht werden müssen.

Dazu werden die Gebäude in drei Klassen unterteilt: Gebäude mit einer Höhe von bis zu elf Metern, Gebäude mit einer Höhe von 30 Metern und Hochhäuser über 30 Meter. Abhängig von der Höhe der Gebäude unterscheiden sich auch die Anforderungen an den Brandschutz der Solaranlage. In der Regel können in Gebäuden mit einer Höhe von bis zu elf Metern Module ohne weitere Prüfung in der Fassade eingesetzt werden.

Brandausbreitung begrenzen

Wenn es um Gebäude mit einer Höhe zwischen elf und 30 Meter geht, kann ein argumentativer Nachweis ausreichen. Dieser muss ergeben, dass auch ohne Brandversuch der Brandschutz des Gebäudes gewährleistet ist. Nur bei der Integration der Module in Hochhäusern ist ein Brandversuch zwingend notwendig.

Die Gebäudekategorien orientieren sich an den Schutzzielen hinsichtlich der Brandausbreitung. Denn in Gebäuden zwischen elf und 30 Metern darf sich der Brand über maximal zwei Stockwerke ausbreiten. In Hochhäusern darf er überhaupt nicht auf das darüber liegende Stockwerk übergreifen. In der Branche kommt die neue Richtlinie gut an. Denn sie beschreibt auch noch weitere technische und bauliche Schutzmaßnahmen wie die Vorgaben zur Kabelführung oder horizontale Unterbrechungen der Fassade. Damit vereinfacht sie die Integration der Anlagen in die Fassade und bietet Sicherheit für Installateure, Architekten und Bauherren.

In Deutschland hingegen muss sich die Branche durch verschiedene Leitfäden und Hinweispapiere kämpfen, die aber alle keinen bindenden Charakter haben. Das verunsichert nicht nur die Bauherren und Architekten, sondern auch die Behörden. „Diese tun sich bei der Umsetzung schwer. Die Behördenmitarbeiter sind in der Regel froh, wenn sie Bauvorhaben überhaupt realisiert bekommen. Unbekanntes Terrain ist da eine zusätzliche Hürde und BIPV ist Neuland“, berichtet Thorsten Kühn vom Berliner BIPV-Beratungsbüro BAIP.

Solarmodule sind Baustoffe

Grundsätzliche Regelungen, welche Brandschutzvoraussetzungen die einzelnen Baustoffe erfüllen müssen, bietet aber die Musterbauordnung (MBO). Zwar ist die Bauordnung eigentlich Sache der Bundesländer. „Doch übernehmen die meisten Länder die Vorschriften aus der Musterbauordnung, vor allem, wenn es um die materiellen Anforderungen an die Technik und den Brandschutz geht“, weiß Jan Riemesch-Speer. Er ist beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) für den Arbeitsschwerpunkt Brandverhalten von Baustoffen und Außenwandbekleidungen zuständig.

Bei Photovoltaikmodulen, die in die Außenhülle des Gebäudes integriert sind, handelt es sich um einen Baustoff. Denn BIPV-Paneele sind dauerhaft mit dem Gebäude verbunden. Deshalb müssen sie die Voraussetzungen mitbringen, die auch für andere Fassadenmaterialien gelten. Die Anforderungen sind ähnlich wie in der Schweiz, nur mit dem Unterschied, dass Deutschland andere Höhen ansetzt. So ist in Deutschland die einfache Integration nur bis sieben Meter Höhe erlaubt.

Integration nach Brandversuch möglich

Zwischen sieben und 22 Meter sind schon strengere Brandschutzregu­larien vorgegeben. „Die Baustoffe für die Fassade müssen mindestens schwer entflammbar sein und sie dürfen nicht abtropfend brennen und sie dürfen auch nicht abfallen“, erklärt Jan Riemesch-Speer. „Bei geschossübergreifenden Öffnungen wie sehr hohen Fenstern sind zusätzliche Maßnahmen für den Brandschutz notwendig.“ Das bedeutet, die Solarmodule müssen mindestens der Brandschutzklasse B2 der Norm DIN 4102 entsprechen.

Das Hochhaus fängt in Deutschland schon bei 22 Metern an, nicht bei 30 Metern wie in der Schweiz. „Das liegt daran, dass die Feuerwehrdrehleitern eine Höhe von 23 Metern erreichen“, erklärt Jan Riemesch-Speer. „Hochhäuser gelten als Sonderbauten und sind nicht über die Regeln der Musterbauordnung abgedeckt. Für sie gelten Sonderbauvorschriften, beispielsweise die der Musterhochhausrichtlinie.“

Diese schreibt vor, dass nur nicht brennbare Materialien verbaut werden dürfen. „Alternativ sind zusätzliche Maßnahmen für den Brandschutz not­wendig oder ab 22 Meter ist die BIPV nicht mehr möglich“, sagt Thorsten Kühn vom BAIP. „Darüber hinaus ist noch ein Nachweis im Einzelfall oder eine vorhabenbezogene Zulassung möglich, die über Brandversuche erreichbar sind.“

Das ist ähnlich wie in der Schweiz. Doch beim Nachbarn im Süden gibt es den Begriff des akzeptierten Brandrisikos, wie die Vorgabe, dass im Hochhaus der Brand auf ein Stockwerk begrenzt werden muss. „Das Ergebnis ist, dass in der Schweiz sogar komplette Photovoltaikhüllen im Hochhausbereich möglich sind, in Deutschland werden eher die kleinen Gebäude mit einer Solarfassade ausgestattet“, weiß Thorsten Kühn. „In der Schweiz werden die Projekte außerdem auf dem kurzen Wege genehmigt. Die Herangehensweise in der Schweiz ist der Wille, zum Ziel zu kommen und zusammenzuarbeiten und zu schauen, wie können Kriterien geschaffen werden, die die BIPV möglich machen. Meine Erfahrung ist leider, dass in Deutschland oft geschaut wird, was ein Projekt behindert und was alles getan werden kann, um die Solarfassade nicht realisieren zu müssen.“

Bei der Integration der Solarmodule in eine Hochhausfassade führt derzeit kein Weg an einem Brandversuch vorbei.

Foto: Reinhard Witt/TÜV Rheinland

Bei der Integration der Solarmodule in eine Hochhausfassade führt derzeit kein Weg an einem Brandversuch vorbei.

Brandprüfung im Labor

Die Regelungen in den Bauordnungen sind nicht explizit auf die Photovoltaik zugeschnitten. Die konkreten Anforderungen an die Module stehen im Anhang der Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB), die vom DIBt veröffentlicht wird.

Die Zuordnung der einzelnen Baustoffe und so auch der Solarmodule basiert wiederum auf Laborbrandprüfungen. „Doch hier gelten Einschränkungen bei den Baustoffklassen“, sagt Jan Riemesch-Speer. „Gerade bei schwer entflammbaren Baustoffen wird nur ein Entstehungsbrand im Raum mit einem einzelnen brennenden Gegenstand wie einem Papierkorb simuliert. Bei Außenwandbekleidung ist nach MVV TB Abschnitt A 2.1.5 als Referenz aber der Vollbrand im Raum mit aus den Fenstern herausschlagenden Flammen als Szenario vorgegeben.“

Nur eine Prüfnorm

Dazu ist wiederum ein Großversuch erforderlich. Dabei müssen die Verzögerung der Entzündung des Fassadenmaterials und die Brandausbreitung auf maximal zwei Geschosse überprüft werden. „Bei schwer entflammbaren Außenwandbekleidungen erwartet man außerdem ein selbstständiges Verlöschen der Fassade, wenn der ursprüngliche Primärbrand abgelöscht wurde“, sagt der DIBt-Experte. „Die Norm ist aber eine reine Prüfnorm. Sie enthält keine harten Bewertungskriterien. Deshalb muss die Bewertung des Brandfalls von Außenwandbekleidungen im Verfahren für bauaufsichtliche Anwendbarkeit erfolgen.“ Das geht wiederum nur über eine vorhabenbezogene Baugenehmigung oder die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ).

Dies sorgt wieder für Unsicherheiten bei den Architekten, Bauherren und Behörden. Deshalb ist der Ruf aus der BIPV-Branche nach einfachen und klaren Regelungen wie in der Schweiz sehr laut. „Wenn wir jedes Mal einen Brandversuch für ein Projekt machen müssen, bekommen wir den Markt der BIPV nicht zum Laufen“, erklärt Christian Renken.

Verfahren standardisieren

Deshalb ist der Knackpunkt, in das gesamte Verfahren eine Standardisierung zu bekommen. Dies ist in der Schweiz einer der nächsten Schritte. Denn die Brandschutzrichtlinie ist, wie gesagt, eine Übergangslösung. An einer endgültigen Fassung arbeiten die Solarbranche und die Gebäudeversicherer gerade. Zusätzlich ist es denkbar, auch nach standardisierten Brandversuchen gewisse Lösungen grundsätzlich zuzulassen.

Für Deutschland sieht das Jan Riemesch-Speer nicht. „Wir hatten bisher noch zu wenige Module im Brandversuch“, sagt er. „Die Erfahrung ist, dass dünne Gläser von zwei bis drei Millimetern im Brandfall sehr schnell brechen und abfallen, weil die Folien erweichen.“

Baustoffe verhalten sich in unterschiedlichen Kombinationen auch nicht immer gleich, weshalb es kaum möglich ist, einzelne Komponenten einer Solaranlage mit Blick auf den Brandschutz standardisiert zuzulassen, argumentiert der Experte vom DIBt. „Zudem brauchen wir noch mehr Daten, um zu sagen, dass unter bestimmten Randbedingungen, wenn eine konstruktive Art eingehalten wird, die Komponenten ohne Weiteres im Bereich der Gebäudeklassen 4 und 5 oder sogar im Hochhaus einsetzbar sind“, sagt Jan Riemesch-Speer.

Bei Fensterfronten über mehrere Stockwerke hinweg gelten in Deutschland höhere Brandschutzanforderungen an die Solarfassade.

Foto: Velka Botička

Bei Fensterfronten über mehrere Stockwerke hinweg gelten in Deutschland höhere Brandschutzanforderungen an die Solarfassade.

Fraunhofer ISE

Standardisierte Lösung für die Fassade entwickelt

Die Fassaden von Gebäuden bieten ein riesiges Potenzial für die Installation von Photovoltaikleistung. Doch bislang bleibt dieses Potenzial weitgehend ungenutzt. „Während sich fast jedes Dach mit relativ geringem Aufwand mit Photovoltaik ausstatten lässt, sind herkömmliche Photovoltaikmodule für Fassaden in der Regel ungeeignet. Integrieren lassen sie sich nur mit einem unverhältnismäßig großen technischen und finanziellen Aufwand“, sagt Christian Luft, Experte für Energiemanagement beim Beratungsunternehmen Drees & Sommer. „Derzeit fehlen uns die standardisierten Planungsinstrumente, um Photovoltaik sowohl technisch als auch wirtschaftlich an den Fassaden anzubringen.“

Die momentanen Lösungen sind meist Sonderanfertigungen. Standardisierte Lösungen sind kaum zu finden. Das will Drees & Sommer zusammen mit dem Fraunhofer ISE und verschiedenen Industrieunternehmen ändern. Im Verbundforschungsprojekt Solar Envelope Center arbeiten sie an einer Lösung, wie sich Solaranlagen technisch einfach, schnell und kostengünstig an den Gebäudehüllen umsetzen lassen. Im kommenden Jahr sollen die Ergebnisse vorliegen. Geplant ist allerdings, Teilergebnisse der Forschung als VDI-Richtlinie zu veröffentlichen, um die breite Anwendung zu fördern.

Die standardisierte Lösung soll die Anwendung der Solarenergie in der Fassade nicht nur einfacher machen. Vielmehr soll sie je nach Projektanforderungen kombinierbar sein, wie Helen Rose Wilson, Projektleiterin des Fraunhofer ISE, die Ziele des Forschungsprojekts umschreibt.

Die Lösung basiert auf Erfahrungen aus bereits umgesetzten Projekten wie dem Rathaus Freiburg und dem Bürogebäude OWP 12 in Stuttgart, dem Stammsitz von Drees & Sommer. Dort liefern die Solarmodule bilanziell mehr Strom, als im Gebäude verbraucht wird. Zum Plusenergiegebäude wird das Haus aber nur durch die Nutzung der Süd- und der Westfassade für die Photovoltaik. Allein diese produzieren genug Strom, um ein Drittel des Bedarfs im Gebäude zu decken.

Insgesamt wird auf knapp 700 Quadratmetern Fassadenfläche ein Ertrag von rund 70 Megawattstunden im Jahr gewonnen. Dank der innovativen Fassadenkonstruktion, die sehr hohen Anforderungen an Schallschutz und Wärmedämmung gerecht wird, ist die Fassade in Kombination mit den Solarelementen nur 210 Millimeter dick. Auch optisch stellen die integrierten Photovoltaikelemente eine sehr ästhetische Lösung dar.

Foto: Drees & Sommer

Sunovation

Neues BIPV-Modul mit Viertelzellen entwickelt

Der Hersteller von Solarmodulen für die Bauwerkintegration Sunovation mit Sitz im hessischen Elsenfeld hat ein neues Modul mit Viertelzellentechnologie für Photovoltaikfassaden und Solardächer auf den Markt gebracht. Mit dieser Neuentwicklung geht Sunovation den nächsten Schritt. Denn auch in der BIPV ist das Halbzellenmodul inzwischen Standard. Doch die Solarzellen abermals zu halbieren ist bisher noch neu und vor allem für die BIPV von Vorteil.

Denn mit den kleineren Viertelzellen können die Solarmodule in Größe und Form noch besser an die Bedürfnisse der Architekten und Bauherren angepasst werden. Sunovation geht von einem Leistungsvorteil von bis zu 40 Prozent auch aufgrund der höheren Flexibilität bei der Belegung der vorhandenen Fassadenfläche aus.

Außerdem kann bei der Verwendung der Viertelzelle der Energieertrag weiter gesteigert werden. „Der Schritt von der Halb- zur Viertelzelle halbiert den in der Photovoltaikzelle erzeugten Strom und reduziert damit die Widerstandsverluste auf ein Viertel. Dadurch steigt der Solarertrag“, beschriebt Jacob von Römer, Projektleiter Forschung und Entwicklung bei Sunovation, den Zusammenhang.

Sunovation nutzt für seine neuen Module leistungsstarke G12-Zellen. Diese sind schon die Grundlage der bisherigen Halbzellen und jetzt auch für die quadratischen Viertelzellen. Dabei kann Sunovation auch weiterhin Halbzellen einsetzen, wodurch das Unternehmen zusätzliche Flexibilität in der Produktion von kundenspezifischen Solarmodulen bekommt. Die Halb- und auch die Viertelzellen werden mittels Multi-Busbar-Technologie zu Zellstrings verarbeitet.

Foto: Sunovation

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