Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

EEG 2021: Engpass schaffen – für nukleare Renaissance?

Ende Oktober 2020 soll der Bundestag die Reform des EEG 2021 in erster Lesung behandeln, danach wird die Sache vermutlich in den Wirtschaftsausschuss verwiesen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) drückt auf die Tube: Bis Weihnachten muss die Sache durch sein. Denn schon zu Jahresbeginn 2021 soll das neue EEG gelten. Übergangsfristen sind demnach nicht vorgesehen.

Schafft es Altmaier nicht bis Jahresende, geht die Novelle möglicherweise im Wahlkampf unter. Was eigentlich das Beste wäre: Soll sich die neue Bundesregierung damit befassen, die im Herbst 2021 gewählt wird. Die solare Energiewende rollt auch ohne EEG 2021.

Wozu die Eile, Herr Altmaier? Die Anwort liegt auf der Hand: Den Gegnern der Energiewende läuft die Zeit davon. Der Zubau der Windenergie zu Lande wurde erfolgreich gestört, um völlig überteuerte Offshore-Windparks salonfähig zu machen. Aber die Photovoltaik hat sich nicht unterkriegen lassen: Der Zubau wuchs in diesem Jahr – trotz Corona – um 25 bis 30 Prozent. Hält diese Dynamik an, sind AKW und Kohlekraftwerke am Ende.

Fossil-nukleare Kraftwerke sind am Ende

Sind sie ja schon, wirtschaftlich betrachtet. Doch in den Chefetagen der Energiekonzerne regiert die trügerische Hoffnung, dass das Geschäft so einfach und profitabel werden könnte – wie anno dazumal. Wie vor Corona, wie vor dem solaren Aufschwung weltweit, wie vor Fukushima, Tschernobyl und dem Reaktorunglück von Three Mile Island.

Damals war das Stromgeschäft noch Chefsache, in guter alter Tradition: Als der Kaiser die Elektrifizierung verordnete, gut beraten von Werner von Siemens, war das ein Staatsakt, kein Geschäft. Die Stromwirtschaft begann als politisches Projekt. Das war in den USA so, in UK, in Deutschland, in Frankreich, in Sowjetrussland und in China – überall.

RWE kam als Zwitter in die Welt

Denn der Aufbau der Kraftwerke und Stromnetze erwies sich als derart kostenintensiv, dass die flächendeckende Elektrifizierung Ende der 20er Jahre, Anfang der 30er Jahre die Staatskassen überfordert hätte – und ins Stocken geriet. Deshalb verordnete Adolf Hitler Millionen Haushalten in Deutschland den Anschlusszwang, machte sie zwangsweise zu Stromkunden ihres Regionalversorgers – ohne Wahl.

RWE wäre als Energieversorger niemals in die Welt gekommen, wenn der Konzern nicht von Beginn an ein privat-kommunales Konglomerat gewesen wäre. Noch heute ist die Stadt Dortmund der größte kommunale Anteilseigner und muss für Verluste des Konzerns aus der Schatztruhe des Stadtkämmerers geradestehen.

Ohne den Staat läuft nix

Bis auf den heutigen Tag gibt es kein ökonomisch tragfähiges Modell für die Kohlekraftwerke und die Atommeiler. Über direkte (Bürgschaften, Kredite, öffentliche Anteile) und indirekte Subventionen mischt der Staat kräftig mit.

Versteckte Kosten wie für die Entsorgung des Atommülls, Auslagen für eventuelle Atomunfälle (ca. 900 Mrd. US-Dollar allein für Tschernobyl), für die hohe Zahl von Leukämie unter Kindern in der Nähe der Reaktoren, für den Rückbau der Kohlegruben oder die Bundeswehr zur Sicherung der Energieimporte aus Arabien und Mali kommt der Staat auf. Würden diese Kosten allein den Betreibern der Kraftwerke – und ihren Kunden – aufgebrummt, wäre niemals auch nur eine Kilowattstunde aus den Turbinen und Reaktoren geflossen.

Träume sind Schäume

Solche Träume von der guten alten Stromzeit sind der Schaum unserer Tage. Denn mit Sonnenstrom und seinem Eigenverbrauch entsteht ein ökonomisches Geschäftsmodell, das weder Konzerne, noch Politiker oder Bürokraten braucht. Die Uhr des politisch-industriellen Komplexes in der Energiewirtschaft läuft ab, sie ist schon abgelaufen.

Was Peter Altmaier, der Schwarze Peter der Energiewende, derzeit treibt, sind die letzten, spasmischen Zuckungen eines Apparats, der seinen Odem endgültig aushaucht. „Nach uns die Sintflut“ ist sein Motto, offenbar will er verbrannte Erde hinterlassen.

Er will die echte Liberalisierung und Ökonomisierung der Energiemärkte torpedieren, weil nicht nur die Energiekonerne auf der Kippe stehen. Sondern weil er selbst, der von ihm vertretene Typus des politischen Bürokraten, vor dem Aussterben steht.

Lippenbekenntnisse und Papiertiger

Lippenbekenntnisse und Papiertiger wie ein knapp 400 Seiten starkes EEG sind nicht mehr zeitgemäß. Die Kritik am vorliegenden Entwurf des EEG 2021 ist unisono. Sogar der BDEW hat mittlerweile kapiert, worum es geht:

Wirklich ökonomische Modelle für sauberen Strom gibt es nur, wenn sich der Staat raushält. An einer wirklichen Liberalisierung der Märkte, an der Energiewende von unten, führt kein Weg vorbei.

Der Staat muss raus

Die Zeit für den Ausstieg des Staates ist reif, denn ohne die Beamten und Minister wird es billiger, funktioniert schneller und macht obendrein mehr Spaß! Die Energiewende kann und wird ökonomisch laufen, sie ist den Kinderschuhen entwachsen. Sie ist eine Abstimmung von unten.

Aber die Beamten klammern sich an ihre vermeintlichen Hoheitsrechte, und der Hebel dieser Politik ist der Engpass. Es ist die Angst, die sie schüren, dass eines Tages das Licht ausgehen könnte.

Mit diesem Argument wurde bereits gegen den Atomausstieg gewettert. Fast wären sie damit durchgekommen, fast wäre der „Ausstieg aus dem Ausstieg“ (Angela Merkel Ende 2010) gekommen, wenn nicht ein Tsunami in Fukushima die Reaktoren unter Wasser gesetzt hätten – und Tokio schlagartig im Dunkeln stand. Nächstes Jahr im Frühjahr jährt sich dieses lehrreiche Beispiel zum zehnten Male.

Nur wenig gelernt

Gelernt hat die Politik offenbar wenig. Denn der jüngste Entwurf zum EEG 2021 aus dem Bundeswirtschaftsministerium setzt den Strombedarf der kommenden Jahre viel zu niedrig an. Bewusst zu niedrig, denn so ignorant kann kein Mensch sein, die vielen Studien und Analysen aus Versehen nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Mit der Angst vorm Blackout wird Politik gemacht. Mit dieser Angst wollen die Bürokraten und ihre Handlanger im sogenannten Wirtschaftsflügel der CDU die Energiewende nicht aus der bürokratischen Umklammerung entlassen.

EU-Recht wird gebeugt

Schon vergessen? Allein für die Photovoltaik brauchen wir bis 2030 eine installierte Gesamtleistung von 162 Gigwatt. Das bedeutet, dass die Photovoltaik entschlossen gefördert werden müsste – ebenso die Windkraft, ebenso die Stromspeicher, ebenso Wasserstoff und E-Autos und die ganze Sektorenkopplung.

Der Entwurf negiert diese Ziele, obwohl die EU kürzlich ihre Vorgaben verschärft hat, die Bürgerinnen und Bürger als Prosumer zu stärken. Unvermögen kann man den federführenden Beamten im BMWi kaum vorwerfen. Denn solche Fehlscheinschätzung sind die Regel, seit die rot-schwarze Groko in Berlin regiert, ein Zeitlang als gelb-schwarze Koalition vorbereitet. Das ist vorsätzliche Rechtsbeugung durch die Beamten des deutschen Staates.

Versorgungslücke in Kauf genommen

Ganz offenbar wird die prognostizierte Versorgungslücke bewusst in Kauf genommen. Nur warum? Um die heilige Allianz der roten, gelben und schwarzen Politiker mit den Energiekonzernen zu retten? Um die Stühle der Beamten im Wirtschaftsministerium zu retten, die bei einer ökonomisch funktionierenden Stromversorgung demnächst obsolet wären?

An die Rückkehr zur Atomkraft klammern sich die Energiekonzerne und ihre treuen Lobbyisten im Ministerium wie an einen Strohhalm. Wir werden es erleben: Bald versuchen sie mit aller Macht, den Atommeilern zur Renaissance zu verhelfen. Es gibt Kräfte, die bereits wieder nach den „sauberen“ Kraftwerken mit Uranbrennstäben rufen. Das geschieht unterschwellig – noch – doch die Tendenz ist klar.

Neue Hürden für die Energiewende

Andererseits zeigt die Debatte um ein Endlager, dass die Atomkraft keinen Ausweg bietet. Ob durch radioaktive Verseuchung zu sterben oder durch die Überhitzung des Weltklimas macht wirklich keinen Unterschied.

Jeder Wähler in diesem Land muss sich die Frage stellen, ob die politischen Parteien der Groko überhaupt noch wählbar sind. Der Klimawandel ist im Gange, auf brutale und sich beschleunigende Weise. Worauf warten wir eigentlich?

Bis 2030 braucht Deutschland rund ein Fünftel mehr Strom als heute – etwa 657 Terawattstunden gegenüber 530 Terawattstunden im Jahr 2018. Die EEG-Novelle bremst den Zubau bei der Windkraft und bei der Sonnenkraft aus, baut neue bürokratische Hürden ein und macht die Energiewende vor allem für private und gewerbliche Investoren unattraktiv.

Staat oder Bürger?

Dass die Regierung den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 65 Prozent erhöhen will, liest sich löblich. Wir sind aber schon bei 55 Prozent. Welchen Grund gibt es, die Dynamik des Ausbaus zu drosseln? Welchen Grund gibt es, die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile einer entfesselten Energiewende nicht zu entfalten?

Jedermann als Stromerzeuger – das steht auf der Tagesordnung!