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Angepasstes Montieren

Wer während der Sommerferien auf der Bundesstraße 96 von Berlin in Richtung Ostsee fuhr, konnte die aufgereihten Rammpfosten des Solarparks Oranienburg schon von Weitem links der Fahrbahn stehen sehen. Im Vorbeifahren wirkt das Baufeld wie eine große, ebene Fläche – scheinbar optimal geeignet für eine unkomplizierte Photovoltaikinstallation. Beim Besuch der Baustelle stellt sich der Sachverhalt allerdings etwas anders dar: Die Geländeoberfläche des ehemaligen sowjetischen Flugplatzes ist nämlich gar nicht so gleichmäßig und glatt, wie sie aus der Entfernung aussieht. Start- und Landebahnen liegen mittlerweile unter der B 96. Der Rest des Grundstücks gleicht eher einem Acker.

Zur Demonstration greift Bauleiter Peter Jungsthöfel vom Stahlbauunternehmen Kühling mit erhobenem Arm einen der oberen Längsträger, auf dem die zweite Modulreihe verschraubt ist. Dann läuft der Mann mit dem blond gelockten Zopf sieben Meter am Montagegestell entlang und bleibt in einer Senke stehen. Die Oberkante der Stahlkonstruktion kann er nun selbst mit den Fingerspitzen nicht mehr erreichen. Wegen der vielen kurzen Senken, die das Baugebiet durchziehen, haben die Metallbauer längere Rammpfosten gewählt, die sie unterschiedlich tief im Boden versenkt haben. Auf dem scheinbar planen Grundstück laufen die Modulreihen auf und ab.

„Die Naturschutzbehörden bevorzugen Anlagen, die dem Gelände folgen, ohne dass vorher planiert wird“, sagt Joska Nossol, Projektleiter des Bauherrn IFE Eriksen aus Oldenburg. Bei der Auswahl des Montagesystems hat Nossol darauf geachtet, dass die Unterkante der Module sich hoch genug über dem Boden befindet, so dass Schafe darunter hindurchlaufen können, ohne die Modulunterkante zu berühren. Denn sie sollen den Bewuchs auf dem buckeligen Gelände unter den Modulen abweiden.In dieser Form ist das ein Einzelfall, doch je komplizierter Gelände werden, umso mehr müssen die Montagegestelle so konstruiert sein, dass die Projektierer flexibel sind. Bodenbeschaffenheit und Topographie bestimmen, wie aufwendig es ist, eine Freilandanlage an einem bestimmten Ort zu installieren. Die Sahnestücke sind größtenteils schon vergeben. Große, ebene Gelände mit guter Bodenqualität für die Installation von Solarparks sind nicht nur in Deutschland zur Seltenheit geworden.

Auch in den anderen europäischen Ländern können die Projektentwickler sich die Flächen nicht mehr aussuchen. „Mit steinigem Untergrund können wir gut umgehen“, sagt Andreas Steckeler vom Montagesystemhersteller K2, „aber in Italien haben wir jetzt Gelände, die weich und schlammig sind, so dass man unheimlich tief gründen müsste.“ Viele Hersteller gehen auf das Bedürfnis nach mehr Flexibilität ein und bieten Varianten ihrer Systeme an, wie die Marktübersicht ab Seite 152 zeigt. K2 hat etwa, um tiefe Gründungen zu vermeiden, eine Leichtversion des neuen T-Rack-Systems entwickelt: weniger Gewicht kombiniert mit engeren Pfostenabständen.

Angepasst an die Region

Auch auf dem ehemaligen Militärgrundstück in Oranienburg wollte der Projektierer eine angepasste Lösung, um Kosten zu sparen. Die Unterkonstruktion hat das norddeutsche Stahlbauunternehmen Kühling aus Friesoythe bei Oldenburg geliefert und montiert. Geschäftsführer Heinrich Kühling hat sein Montagesystem an die Besonderheiten des Grundstücks angepasst. „Das Gestell wird so nicht an der Nordseeküste stehen und auch nicht in Südengland oder Süditalien“, sagt Kühling, „bei uns gibt es keine 08/15-Produkte, dahinter steht immer eine Standortstatik.“ So gründen die rund 24 Meter breiten Modultische in den Randbereichen auf neun Rammfundamenten, während im Mittelbereich fünf Pfosten ausreichen. „Eine standortbezogene Statik bekommen Sie von jedem seriösen Anbieter“, sagt Projektentwickler Nossol, der das System von Kühling für Oranienburg ausgewählt hat, „aber die Auflösung ist doch recht unterschiedlich.“ Wie genau sich ein System ans Gelände anpassen lässt, bestimmt aber, wie effizient der Stahl eingesetzt wird.

Wie zehn andere Systeme in der Marktübersicht ist Kühlings Gestell komplett aus Stahlbauteilen gefertigt. Kühling setzt auf den Werkstoff, weil dieser günstiger als Aluminium sei und weniger auf Temperaturschwankungen reagiere.

Auf der Unterkonstruktion, die aus einer Reihe Rammpfosten, je einer Pfette mit Stützverstrebung und vier Längsträgern besteht, sind die kristallinen Module hochkant in zwei Reihen angeordnet. „Das ergibt eine vernünftige Arbeitshöhe“, meint Nossol. Das Besondere am System: Kühling verwendet keine Klemmen zur Befestigung der Module. Die Monteure schrauben die Modulrahmen an den vom Hersteller vorgebohrten Viertelpunkten auf die passend zum Modultyp gelochten Stahlträger auf. Das spart nicht nur Platz und sieht gut aus, sondern macht die Montage auch besonders einfach.

Vor Ort sieht das so aus: Auf der Vorderseite schiebt Monteur eins das erste Modul auf die oberen zwei von vier Trägerprofilen. Die Monteure zwei und drei, die auf der Rückseite stehen, nehmen das Modul entgegen und schieben die Schraublöcher im Modulrahmen über die des Trägerprofils. In Windeseile stecken sie an vier Stellen die Schrauben hindurch. Damitist das Modul exakt positioniert und gleichzeitig gegen Verrutschen gesichert. Das zweite Modul für die untere Modulreihe folgt. So werden die 44 Module eines Modultischs in zwei Reihen aufgelegt. Das ergibt genau zwei Strings proTisch. Ein Anziehen der Muttern von unten, das Photovoltaikinstallateure auf dem Dach tunlichst vermeiden möchten,ist in der Freifläche sogar besonders günstig. Während Modulklemmen der oberen Reihe aus dem Stand nicht erreichbar sind, befestigen Kühlings Monteure ohne Verrenkungen und zusätzliche Trittleitern von hinten jedes Modul mit ihrem Akkuschrauber.

Angepasst an den Boden

Auch bei den Fundamenten ist Anpassungsfähigkeit gefragt. Zum Beispiel wenn weder Rammfundamente noch Streifenfundamente aus Beton funktionieren, wie es bei manchen Projekten der Fall ist. Nämlich dann, wenn der Boden am besten gar nicht bewegt werden soll, wie im südenglischen Langage-Energiepark. Gehrlicher Solar aus München hatte schon Rammfundamente für fünf Megawatt Leistung eingeplant, als bekannt wurde, dass in einem Teilbereich des Geländes möglicherweise archäologische Funde liegen. Die sollten keinesfalls durch das Rammen der Fundamente beschädigt werden. Streifenfundamente kamen ebenfalls nicht in Frage, weil sie in den Boden eingelassen werden müssen. Nun musste alles ganz schnell gehen, der Solarpark war ja mitten im Bau. Kurzerhand ersannen die Ingenieure eine Ad-hoc-Lösung. Aus Betonringen aus dem Kanalbau, vor Ort mit Beton ausgegossen, wurden Schwerlastfundamente. „Wir mussten schnell sein und wollten die ortsansässigen Betriebe mit einbeziehen“, sagt Gerald Kumerle, technischer Leiter für Freiflächenanlagen bei Gehrlicher. 700 Kilowatt hat Gehrlicher auf den Betonringen befestigt, die restlichen 4,3 Megawatt gründen wie vorgesehen auf Rammfundamenten. Auch in Zukunft will Gehrlicher bei unklaren Bodenverhältnissen Schwerlastanker nutzen. „Wir sind dabei, noch weitere Fundamentlösungen zu entwickeln“, sagt Gerald Kumerle, „und können uns vorstellen, auch diese Lösung wieder einzusetzen.“ Wer kostengünstig und sicher gründen will, kann unter Umständen auch andere örtliche Gegebenheiten nutzen. Der Montagesystemhersteller Altec aus dem thüringischen Crispendorf versucht, Fundamente zu verwenden, die schon vorhanden sind, aber nicht mehr gebraucht werden. Wie zum Beispiel die Schwellen von stillgelegten Bahntrassen. Altec klemmt die Pfosten der Modultische direkt auf den Schienen fest. „Ein Solarpark auf einem Schienenstrang ist zwar selten, kommt aber vor“, sagt Pressesprecher Sandro Schierse.

Da nicht mehr ein einzelnes Montagesystem auf die immer spezifischeren Anforderungen unterschiedlicher Einsatzorte reagieren kann, bringen einige Hersteller Sonderlösungen auf den Markt. Während K2 sein Portfolio um Rammfundamente erweitert, hat Schletter im Gegenzug nun auch Tellerfundamente im Angebot, wie die Marktübersicht zeigt. An den vier neuen Produkten ist der Trend zu spezifischeren Lösungen deutlich abzulesen. Der Hersteller geht damit auf verschiedene Anforderungen ein, wie geringe Gründungstiefe bei Mülldeponien, Hanglagen in Ost-West-Richtung und Optimierung der Erträge durch jahreszeitlich verstellbare Modultische. Nach eigenen Aussagen kann das Unternehmen mit der siebten Generation des Systems FS sogar den Preis senken, weil die Form einfacher sei und das Gestell weniger Material benötige.

Der Trend geht allerdings nicht nur zu angepassteren Systemen. Nach wie vor ist es ein Dauerbrenner, Gestelle generell so zu konstruieren, dass die Materialkosten sinken. Carsten Franz, Geschäftführer von CWF im fränkischen Niedernhall, arbeitet gerade daran, dass bei seinem System FF100 in Zukunftalle Teile aus Stahl gefertigt werden können. „Wegen des Preises wollen wir vom Aluminium weg“, sagt Franz. Dafür entwickelt er gerade einen neuen Modulträger aus verzinktem Stahl, der dann die Modulklemmen aufnehmen soll. Franz hat selbst acht Jahre lang Unterkonstruktionen für Photovoltaikanlagen zusammengeschraubt. Der ehemalige Monteur kennt viele Produkte aus der Praxis – mit ihren Stärken und Schwächen. Schließlich hat er seine Erfahrungen vor zwei Jahren in ein eigenes Produkt gegossen und seitdem bereits Montagegestelle für 150 Megawatt Leistung verbaut.

Seine Stärken soll das FF100 übrigens in hügeligem Gelände ausspielen – also wieder eine Anpassung. Der Trick desSystems: Das Verbindungsstück, das den Rammpfosten mit dem Querträger verbindet, ist zweigeteilt in ein niedrigeres Südstück und ein höheres Nordstück. Mit den beiden Bauteilen können die Monteure Neigung und Höhe in bewegtem Gelände leicht ausgleichen. Langlochverbindungen, die ein einfaches Justieren der Bauteile ermöglichen, können normalerweise im Stahlbau statisch nicht berechnet werden. Das gilt besonders dann, wenn es durch Schweißnähte zu Abständen zwischen Bauteilen kommt. Da in diesem Fall die beiden schmalen Verbindungsstücke flächig am Pfosten anliegen und dadurch genug Reibungswiderstand erzeugen, sind Langlöcher hier wiederum zugelassen.Noch etwas ist Carsten Franz wichtig: Sein System soll mit möglichst wenig verschiedenen Schraubentypen auskommen. Nur zwei Werkzeuge brauchen seine Monteure auf den Baufeld. Lediglich acht weitere Anbieter unserer Marktübersicht geben an, mit so wenig Werkzeug auszukommen. Aktuell baut CWF im Auftrag von Phoenix Solar einen Solarpark mit 4,7 Megawatt Leistung entlang einer Bahntrasse am Bodensee.

Keine Anpassung an das Wetter

Nicht allein die Bodenqualität und die Topographie bestimmen die Schwierigkeit der Installation im Freiland. Als dritte Komponente, die allerdings nicht mit der Wahl des Montagegestells zusammenhängt, kommt schließlich das Wetter hinzu. Das zeigt sich auch bei dem Beispiel aus Oranienburg. Dass es sich im Sommer besser montieren lässt als bei Schnee und Eis, davon gingen die Mitarbeiter von Kühling aus. Doch in Oranienburg, wie auch in vielen anderen Teilen Deutschlands, schüttete es Ende Juli und Anfang August wie aus Kübeln. Die Kabelschächte liefen bis zur Oberkante voll Wasser, das verzögerte den Bauablauf. Die Transportfahrzeuge, die die Modulpaletten zwischen den Gestellreihen verteilen sollten, blieben mehrmals im Matsch stecken und mussten herausgezogen werden.

Mittlerweile sind alle 33.374 Module auf den Stahlträgern verschraubt. Trotz des schlechten Wetters hat Kühling in Oranienburg alle Termine eingehalten. Denn Serviceleistung steht ganz oben, will man eine gute Beziehung zum Kunden aufbauen. Das bestätigt auch Bauherrenvertreter Joska Nossol: „Für unsere Kaufleute steht der Preis an erster Stelle. Aber am Ende schätze ich als Projektleiter Verbindlichkeit und Flexibilität am höchsten.“ Für die 7,8 Megawatt in Oranienburg konnte Kühling nach seiner Aussage den besten Preis machen. „Unsere Lösungen sind so einfach und dabei kostensparend und effizient“, sagt Heinrich Kühling. Das sehen andere Hersteller wohl ähnlich. Auf der Intersolar konnte der Stahlbauer sein System gleich an mehreren Ständen begutachten, obwohl er selbst in diesem Jahr gar nicht als Aussteller nach München kam. Begeistern kann Kühling sich für diese Art Kompliment allerdings nicht. „Die Details wurden einfach abgekupfert.“ Nun geht sein Anwalt der Sache nach.

Anja Riedel

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