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David Stickelberger von Swissolar: „Die Energiewende ist kein Selbstläufer“

Wie schätzen Sie das Jahr 2023 für die Solarbranche in der Schweiz ein?

David Stickelberger: Unsere Prognosen werden sich bewahrheiten. Wir liegen beim Zubau rund 20 Prozent über 2022. Also werden wir zwischen 1.300 und 1.500 Megawatt zugebaut haben. Vor allem das Segment der kommerziellen Anlagen entwickelt sich sehr gut.

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Ab welcher Anlagengröße sprechen Sie von kommerziellen Anlagen? Oder reden wir von Anlagen auf dem Freiland?

Gemeint sind Dachanlagen ab 100 Kilowatt. Freiflächenanlagen kommen bei uns in der Schweiz bisher kaum vor, das sind nur Exoten. Es gibt bei uns kaum verfügbare Flächen, um größere Solarparks zu bauen.

Die Preise für die Komponenten sinken. Könnte dieser Trend den Zubau beflügeln?

Im gewerblichen Segment spielt der Preis eine wichtige Rolle, dort wird scharf kalkuliert. Die Kunden mit Einfamilienhäusern sind wenig preissensibel. Ihnen geht es vor allem um Qualität und weitgehende Unabhängigkeit. Auch sind die Strompreise für private Haushalte höher.

Wie werden die Anlagen refinanziert?

Zunächst über die Kosteneinsparung für Netzstrom. Vergütung für eingespeisten Solarstrom spielt bei uns kaum eine Rolle, denn sie ist unzureichend geregelt. Je nach Region und Netzbetreiber beträgt sie zwischen vier Rappen und 40 Rappen je Kilowattstunde. Sehr stark ist die Entwicklung im Contractinggeschäft. Die Contractoren bieten nicht nur den Sonnenstrom zum günstigen Preis an, sondern sie liefern auch den Reststrom, übernehmen den Betrieb und die Wartung der Solaranlagen. Das gewinnt bei uns zunehmend an Bedeutung. Denn es entlastet die Unternehmen davon, sich neben ihrem Hauptgeschäft um die Energieerzeugung zu kümmern. Das erledigen die Contractoren.

Wird es bei der komplizierten Vergütung von Sonnenstrom im Netz bleiben, oder sind Veränderungen im Gespräch?

Wir hoffen, dass das neue Energiegesetz diese Thematik neu regelt. Es soll ab Januar 2025 in Kraft treten, vorbehaltlich einer eventuellen Volksabstimmung. Ob sie kommt, wissen wir bis zum 18. Januar 2024. Die Abstimmung könnte dann im Juni 2024 stattfinden. Im neuen Gesetz wird die Abnahmevergütung, wie wir die Einspeisung bezeichnen, durch vierteljährlich gemittelten Marktpreis für elektrischen Strom bestimmt. Wir müssen uns also an die Marktpreise halten. Allerdings könnte die Regierung eine Untergrenze für die Vergütung der Abnahme des Sonnenstroms festlegen, die nicht unterschritten werden darf.

Diese Vergütung für Netzeinspeisung ist für private Solarkunden eigentlich nicht relevant, oder?

Genau, denn sie bekommen zwischen 15 und 20 Prozent der Solarinvestition als Einmalvergütung ausgezahlt. Die neue Abnahmevergütung betrifft eher kommerzielle Anlagenbetreiber und Contractoren. Manche große Produzenten vermarkten ihren Sonnenstrom im Pool mit anderen Energien. Das kann Wasserkraft sein, zum Beispiel.

Sprechen wir über das kommende Jahr, über 2024. Welchen Zubau erwarten Sie?

Mindestens zwischen zehn und 15 Prozent mehr als in diesem Jahr, also mindestens 1,5 Gigawatt Zubau. Das Parlament hat sehr ehrgeizige Ziele ausgegeben für die neuen erneuerbaren Energien, also erneuerbare Energien ohne Wasserkraft. Wenn wir die Ziele erreichen wollen, müssen wir in den nächsten vier Jahren den Zubau über zwei Gigawatt im Jahr steigern. Ich würde einschätzen, dass wir auf Kurs sind.

Bei Ihnen sind alpine Anlagen im Gespräch, die ersten wurden bereits gebaut. Welche Potenziale haben sie?

Die alpinen Anlagen werden die kommerziellen Anlagen auf den Dächern wirksam ergänzen. Meteotest hat das Potenzial in der Schweiz untersucht. Vier Gigawatt sind realistisch, wenn man den Zugang zum Stromnetz oder den Naturschutz berücksichtigt. Vier Gigawatt erzeugen im Jahr rund fünf Terawattstunden, denn die spezifischen Erträge der alpinen Anlagen sind höher als von Solardächern, stellenweise bis 1.500 Kilowattstunden pro Kilowatt.

Welche Flächen sind dafür vor allem geeignet?

Es gibt einige Versuchsanlagen an Staumauern, aber das Potenzial der Staumauern ist insgesamt winzig. Interessanter sind zugängliche und durch Straßen erschlossene Flächen an Stauseen und Staumauern oder in Skigebieten. Dort sind meist auch elektrische Anschlüsse vorhanden, oder viel Strom wird direkt abgenommen und verbraucht. Alpine Anlagen erzeugen im Winter sehr viel Strom, aufgrund der Reflexionen des Schnees und der kalten, klaren Luft in den Bergen. Einige interessante Flächen befinden sich auf früheren Schießplätzen des Schweizer Bundesheeres.

Wie groß sind die alpinen Anlagen?

Riesenprojekte mit mehreren Hundert Megawatt werden nicht kommen, solche Hoffnungen sind übertrieben und praxisfern. Denn oft fehlen die Straßen oder die Anschlussleitungen. Sie speziell für ein großes Solarprojekt zu bauen, sprengt die Investition und braucht sehr viel Zeit. Die meisten alpinen Anlagen mit guten Realisierungschancen dürften zwischen zehn und zwanzig Gigawattstunden im Jahr liefern. Das entspricht zwischen sieben und 15 Megawatt, dafür sind etliche, gut erschlossene Flächen vorhanden. Das ist ein guter Anfang.

Der Solarbranche fehlen Fachkräfte, das gilt für Deutschland, das gilt auch für Sie in der Schweiz. Wenn sich die Nachfrage normalisiert, können Sie dann Entwarnung geben?

Nicht wirklich. Wir sind sehr froh, dass wir dieses Thema frühzeitig aufgegriffen und Lösungen vorangetrieben haben. In Rekordzeit haben wir zwei neue Berufsausbildungen eingeführt. Seit Oktober können die Betriebe Lehrverträge unterzeichnen, im August 2024 beginnt der erste Ausbildungsjahrgang. Unser Ziel ist es, dass 150 Leute die ganze Ausbildung machen. Plus 50, die an der einjährigen Zusatzausbildung teilnehmen. Das wäre ein richtig guter Start für das neue Angebot.

Könnten Flüchtlinge das Problem lösen, indem man sie möglichst zügig ausbildet?

Wir arbeiten beharrlich daran, dass beispielsweise Flüchtlinge schneller in unsere Branche integriert werden. Das ist nicht einfach, weil solche Fragen bei uns im Zuständigkeitsbereich der Kantone liegen, und wir haben 26 Kantone in der Schweiz. Auch ist die Vorbildung der Geflüchteten sehr unterschiedlich. Das beginnt bei den Sprachkenntnissen. Einer unserer Partner ist die Initiative Solafrica, die mit der Ausbildung von Fachkräften in verschiedenen afrikanischen Ländern viel Erfahrung hat. Nun bringt sie diese Erfahrung in die Schweiz zurück, um das Potenzial unter den Geflüchteten auszunutzen. Es geht ja nicht nur um Fachkräfte für die Schweiz. Es gibt ja auch die Chance, dass die Leute nach ihrer Ausbildung und Arbeit bei uns in ihre Heimatländer zurückkehren, um dort Solaranlagen zu bauen. (gekürzt, HS)

Die vollständige Version finden Sie im Dezemberheft der photovoltaik, das am 19. Dezember 2023 erscheint. Frohe Weihnachten!

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