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Schweiz

40 Prozent sind nicht genug

Schon drei Jahre hintereinander seit 2019 verzeichnet die Schweizer Solarwirtschaft jährliche Wachstumsraten von mehr als 40 Prozent. Das ist üppig. Die im letzten Jahr neu installierten Anlagen liefern jährlich rund eine Terawattstunde zusätzlichen sauberen Strom, womit der Solarstromanteil bei gut sieben Prozent an der Versorgung liegt. Für 2022 wird der Zubau auf ein Gigawatt geschätzt, offizielle Zubauzahlen werden allerdings erst Mitte Juli veröffentlicht.

Solarpflicht auch in Zürich

Insgesamt 4,6 Gigawatt Photovoltaikleistung waren Ende des vergangenen Jahres am Netz. Und auch für dieses Jahr wird wieder ein starkes Marktwachstum erwartet. Es läuft also alles bestens, könnte man meinen. Die Solarpflicht für Neubauten gilt in der ein oder anderen Form bereits in allen Kantonen. Seit letztem Herbst haben sie auch bisher fehlende Kantone wie beispielsweise Zürich übernommen. „Die im nationalen Parlament diskutierte Solarpflicht bei erheblichen Um- und Erneuerungsbauten wird wahrscheinlich die weiteren Beratungen nicht überleben, obwohl dies ganz entscheidend wäre, um das enorme Potenzial auf Dächern und Fassaden nutzbar zu machen“, bedauert David Stickelberger, Leiter Markt und Politik bei ­
Swissolar.

Der Nationalrat, das Parlament in der Schweiz, hat ein Paket von Gesetzesänderungen beschlossen, um den Ausbau der Photovoltaik zu beschleunigen. So werden nun lokale Energiegemeinschaften (LEG) zugelassen. Das bedeutet, Personen oder Unternehmen können sich zusammenschließen und eine Solaranlage gemeinsam betreiben und sich die Erträge teilen. Es ist das Pendant zu den Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften in Österreich, die für den Transport des Stroms von der Anlage zum Teilnehmer an der Gemeinschaft einen verringerten Netz­tarif bezahlen.

Gemeinsamer Eigenverbrauch gestärkt

Die LEG sind dabei eine Erweiterung der bereits existierenden Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV). Im Gegensatz zu diesen können bei LEG auch die öffentlichen Netze genutzt werden, was ganz entscheidend ist für die Erhöhung des Eigenverbrauchs und den nötigen Netzausbau reduziert. Das Gesetz bietet optimale Möglichkeiten, Stromproduktion, E-Mobilität und Wärmepumpen aufeinander abzustimmen, und beschleunigt so den Solarausbau weiter.

LEG sind Teil des aktuell beratenen Gesetzespakets. Dieses wird laut Stickelberger aber voraussichtlich erst 2025 in Kraft treten, unter Vorbehalt einer noch ausstehenden Volksabstimmung. „Die Details der Ausgestaltung wie die Höhe der Netznutzungsgebühr und das zulässige Einzugsgebiet sind noch Verhandlungsmasse der Beratungen im Parlament“, erklärt er. Deren Ausgang sei jedoch entscheidend für den Erfolg.

Mit göttlichem Segen: Auch das Pfarreizentrum Heilig Geist in Zürich nutzt Solarpower.

Foto: Schweizer Solarpreis 2022

Mit göttlichem Segen: Auch das Pfarreizentrum Heilig Geist in Zürich nutzt Solarpower.

Förderung deckt 40 Prozent des Invests

Die Einmalvergütung mit der Aufteilung auf Anlagen in kleiner oder größer 100 Kilowatt Leistung deckt rund 20 bis 30 Prozent der Investitionskosten. Positiv sei, sagt Stickelberger, dass die damit verbundenen administrativen Abläufe deutlich gestrafft wurden und die Auszahlung rasch erfolge. „Die niedrigen Förderbeiträge machen sie primär für Anlagen mit hohem Eigenverbrauch attraktiv“, erklärt er. Deshalb wurde nun zum Jahresbeginn das zusätzliche Instrument der „hohen Einmalvergütung“ (HEIV) eingeführt, die rund 40 Prozent der Investitionskosten abdeckt, falls die Anlage vollständig ins Netz einspeist.

Ab 150 Kilowatt wird die Förderhöhe über eine Auktion bestimmt. „Dieses neue Förderinstrument spielt bisher keine große Rolle, aber das scheint sich rasch zu ändern“, sagt Stickelberger. In der zweiten Auktionsrunde wurden nach seiner Einschätzung vor der Veröffentlichung der Daten doppelt so viele Projekte eingereicht wie bei der ersten.

Die Einmalvergütung sei eigentlich der Teil­ersatz für die ausgesetzte kostendeckende Einspeisevergütung, erklärt Thomas Nordmann, Geschäftsführer der Beratung TNC Consulting. „Positiv ist, dass der Bund jetzt mehr Zusatzvergütung für steiler aufgestellte Module mit mehr als 70 Grad sowie einer Höhenquote ins Fördermodell aufgenommen hat“, erläutert Nordmann. So werden Anlagen mit höherem Winterstromanteil gezielt gefördert. Denn in der Schweiz entsteht der Versorgungsengpass im Winterhalbjahr, nicht in den Sommermonaten.

Fehlende Arbeitskräfte bremsen Ausbau

Bei der boomenden Marktentwicklung kommt die Branche in der Schweiz derzeit an ihre Grenzen. Es bedarf dringend der Rekrutierung und Ausbildung neuer Solarteure. Ein Projekt von Swissolar mit einer eigentlichen Berufslehre startet deshalb in den nächsten Monaten. Aber es wird drei bis vier Jahre dauern, bevor diese Fachleute zur Verfügung stehen. Im Moment werden also zusätzlich Quereinsteiger aus anderen oder nahen Berufen ausgebildet – aber auch das braucht natürlich Zeit.

Der Nationalrat hat immerhin kürzlich die solaren Ausbauziele bestätigt: Bis 2035 sollen Solaranlagen entstehen, die jährlich 35 Terawattstunden produzieren. Bis 2050 soll die Produktionskapazität dann auf 45 Terawattstunden steigen.

Auch bei Wärme weg von Öl und Gas

Dabei gibt es heute schon Engpässe in der Versorgungskette. „Im Moment weniger bei den Modulen, denn hier gibt es internationalen Wettbewerb“, weiß Nordmann. Es fehle oft bei den Trafos und insbesondere beim Netzausbau und Netzverstärkungen, die vor allem für alpine Solarparks nötig seien.

Es gibt laut Nordmann in der Schweiz zwar das Know-how, um den Zubau auf rund 2,5 Gigawatt zu steigern. Damit ließe sich CO₂-Neutralität erreichen und die Kernenergie ersetzen. „Aber für die CO₂-Substitution muss auch die Wärmeerzeugung großflächig von fossilem Öl und Gas auf elektrische Wärmepumpe, in einzelnen Fällen Holzenergie, in vielen Fällen Quartiernahwärmenetze umgerüstet werden“, erklärt der Berater. Zusammen mit der Elektromobilität entsteht künftig so ein zusätzlicher Stromverbrauch.

Minimalvergütung definieren

Ein großes Hemmnis für eine schnelle Marktentwicklung sei eine fehlende nationale Einspeisevergütung für den solaren Überschussstrom. Jeder der rund 550 Verteilnetzbetreiber hat eigene Regeln. Der Unterschied zwischen den Minimalvergütungen reicht von sechs bis über 30 Rappen pro Kilowattstunde.

Der Gesetzgeber werde wahrscheinlich eine Minimalvergütung pro Kilowattstunde definieren, sodass mehr Investitionssicherheit gegeben werde, vermutet Nordmann. Gleichzeitig müsse mit immer mehr Solarstrom im Netz eine Verschiebung von thermischen Lasten im Vordergrund stehen. Beispielsweise ließe sich die Solarstromspitze über Mittag für Brauchwasser nutzen, um Netzüberlastung zu vermeiden.

Speicher doppelt belastet

Auch Batteriespeicher kämpfen noch mit einer Doppelbelastung, die sie meist unrentabel werden lässt. In der jetzigen Gesetzesentwicklung müssen Netzentgelte zweimal gezahlt werden. Diese liegen bei etwa 40 Prozent der gesamten Stromkosten. Eine geplante Neuregelung sieht eine Entschädigung vor, sollte Energie aus dem Heimspeicher oder dem Elektromobil wieder ins Netz zurückfließen. Damit würden stationäre Batterien sowie das bidirektionale Laden ökonomisch attraktiv und die Netzbetreiber könnten zudem kurzfristig zur Verfügung stehende Regelenergie nutzen. Die neuen Netzgebühren für Batteriespeicher werden aber aller Voraussicht nach erst 2025 in Kraft treten. Die Schweiz lässt sich hier mehr Zeit, als sie eigentlich hat, um die Ausbauziele zu erreichen.

Axpo

Solarpark versorgt Bergbahnen im Skigebiet Disentis

Der Schweizer Versorger Axpo baut im Skigebiet Disentis im Kanton Graubünden die nächste alpine Solaranlage. Die Freiflächenanlage mit zehn Megawatt wird genau dort Strom produzieren, wo er benötigt wird: Die Bergbahnen werden so künftig komplett mit Solarstrom betrieben.

Die alpine Solaranlage Ovra Solara Magriel wird auf einer Fläche von 80.000 Quadratmetern auf 2.100 Metern Höhe nahe des Gipfels La Muotta errichtet. Die Bergbahnen im Skigebiet Disentis können so den jährlichen Strombedarf für den Betrieb komplett mit lokalem Solarstrom bedienen. Die Nutzung der bestehenden Infrastruktur, beispielsweise des Stromnetzes, vereinfacht den Bau der Anlage. Die Freiflächenanlage wird eine installierte Leistung von zehn Megawatt haben und jährlich 17 Gigawattstunden Strom produzieren. Dies deckt rechnerisch den Verbrauch von 4.000 Schweizer Haushalten.

Der Baubeginn ist auf das Frühjahr 2024 datiert. Die erste Teilinbetriebnahme ist für Herbst 2025 und die vollständige Inbetriebnahme für Herbst 2026 geplant. Der Clou: Die alpine Solaranlage wird vor allem in den kalten Monaten wertvollen Winterstrom liefern. Das Projekt Ovra Solara Magriel ist Teil der sogenannten Solaroffensive, die das Unternehmen im vergangenen Herbst angekündigt hat. Eine weitere Freiflächenanlage mit zehn Megawatt soll im Herbst 2025 in der Bündner Gemeinde Tujetsch beim Nalps-Stausee entstehen.

Foto: Axpo

Swissolar

Ausbildungsprogramm für Solarteure startet 2024

In der Schweiz fehlen Fachkräfte für den notwendigen Ausbau der Photovoltaik. Deshalb hat der Branchenverband ­Swissolar mit Kooperationspartnern einen neuen Ausbildungsberuf geschaffen. Die ersten Azubis beginnen ab dem Schuljahr 2024/25 und erhalten am Ende ein eidgenössisches Berufsattest (EBA). Zusätzlich wird es Ausbildungsgänge für Solarmonteure und Solarmonteurinnen geben, die ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) bekommen. Das EBA für Solarmonteure wird nach zweijähriger Lehre abgeschlossen, das EFZ kann nach dreijähriger Ausbildung erworben werden. Entwickelt wurden die Ausbildungsgänge von Swissolar, dem Bildungszentrum Polybau und weiteren Branchenvertretern.

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