In Europa trifft der wachsende Druck, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen, auf die Notwendigkeit, landwirtschaftliche Flächen zu erhalten. Eine leise, aber grundlegende Veränderung zeichnet sich ab: Agri-PV. Die kombinierte Nutzung einer Fläche für Photovoltaik und Landwirtschaft entwickelt sich von einer Nischenidee zu einer tragfähigen, großflächig einsetzbaren Lösung.
Indem zwei Funktionen auf derselben Fläche vereint werden, entfällt zunehmend die historische Entweder–oder-Entscheidung zwischen Energieerzeugung und Landwirtschaft. Das Konzept der Doppelernte – Solarstromproduktion bei gleichzeitig fortgeführter landwirtschaftlicher Nutzung – ist heute keine Theorie mehr. Technische Weiterentwicklungen bei Standardkomponenten der Photovoltaik und praxiserprobte Montagesysteme ermöglichen inzwischen den wirtschaftlichen Regelbetrieb.
Doppelnutzung als Schlüssel zur Flächeneffizienz
In der Praxis setzen die meisten Agri-PV-Anlagen in Europa nicht auf intensiven Ackerbau, sondern auf landwirtschaftliche Nutzungen, die sich mit PV-Anlagen gut kombinieren lassen. Dazu gehören die Beweidung durch Schafe, Rinder oder Geflügel, der Anbau von Gras oder Heu und die Anlage von Blühstreifen und insektenfreundlichen Zwischenfrüchten.
Diese Formen der Nutzung sichern den landwirtschaftlichen Status der Flächen, bringen ökologische Vorteile und eröffnen zusätzliche Einnahmequellen. Landwirte können Pachteinnahmen oder Stromerlöse generieren und gleichzeitig ihre traditionelle Nutzung fortführen – ein Beitrag zur Einkommensstabilisierung im ländlichen Raum und zum Schutz vor einer Umwidmung in nichtlandwirtschaftliche Nutzung.
Dieses Modell eignet sich auch für Flächen, die aufgrund ihrer Lage oder ihrer Form für großflächigen Anbau nicht geeignet sind – etwa schmalere Grundstücke entlang von Bahnstrecken oder Autobahnen.
Standardmontagesysteme höher aufständern
Ein wichtiges Ergebnis aktueller Projekte zeigt, dass Agri-PV nicht zwangsläufig teure Sonderkonstruktionen erfordert. Standardfreilandanlagen mit einer Modulkantenhöhe von mindestens 2,1 Metern haben sich als robustes, wirtschaftliches Konzept etabliert.
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Durch die hohe Aufständerung ergeben sich mehrere Vorteile für die Landwirtschaft. Sie bietet Durchfahrtsmöglichkeiten für landwirtschaftliche Maschinen. Die Fläche kann für Weidewirtschaft oder niedrig wachsende Vegetation genutzt werden. Zudem verbessern sich die Luftzirkulation und Lichtstreuung. Dies unterstützt die Bodenqualität und Biodiversität. Die Verwendung serienmäßiger Komponenten senkt dabei den Planungsaufwand, die Genehmigungshürden und die Kosten – und beschleunigt den Projektstart.
Doppelglasmodule im Vorteil
Neben der Unterkonstruktion ist die Wahl des Modultyps entscheidend. Glas-Glas-Module – oft in bifazialer Ausführung – punkten mit höherer Robustheit, besserem Ertrag und längerer Lebensdauer. Durch die hohe mechanische Stabilität sind sie resistent gegen Mikrorisse und Feuchtigkeit. Außerdem weisen sie mit 0,3 bis 0,5 Prozent pro Jahr eine geringere Degradation gegenüber Glas-Folie-Modulen auf. Deren Degradation liegt bei rund 0,7 Prozent im Jahr.
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Die Doppelglasmodule haben eine längere Lebensdauer von über 30 Jahren und oft geben die Hersteller erweiterte Produktgarantien. Zudem kann auch die Rückseite zur Stromerzeugung genutzt werden. Diese bifaziale Lichtnutzung generiert auf unversiegeltem Boden zusätzliche Erträge. Diese Eigenschaften erhöhen die Gesamtstromproduktion, senken Ersatz- und Wartungskosten und verbessern die Wirtschaftlichkeit über den gesamten Lebenszyklus.
Module der Sonne nachführen
Im österreichischen Gaweinstal bei Wien haben Goldbeck Solar und der österreichische Projektentwickler Imwind eine fünf Megawatt starke Agri-PV-Anlage errichtet. Der Solarpark ist mit 8.200 Modulen des Typs Trinasolar Vertex N ausgestattet. Diese sind auf einachsigen Nachführsystemen montiert und fangen so das Sonnenlicht von morgens bis abends effektiv ein. Durch die Nachführung steigert das System den Energieertrag um bis zu 20 Prozent.
Darüber hinaus können die Solarmodule im Anbaubetrieb nahezu vertikal ausgerichtet werden. So kann das Land fast vollständig landwirtschaftlich genutzt werden. Die Nachführsysteme sollen zudem das Mikroklima am Standort verbessern und die Wasserverdunstung reduzieren.
Wirtschaftlichkeit: Langlebigkeit und Doppelertrag
Zwar können die Investitionskosten bei Agri-PV – insbesondere mit hochwertigen Modulen und stabilen Montagesystemen – etwas höher ausfallen. Doch die langfristige Rendite überzeugt durch mehrere Punkte. Neben der längeren Betriebszeit durch die Nutzung von Doppelglasmodulen können die Landwirte Zusatzerlöse aus der Stromproduktion – neben der gleichzeitigen landwirtschaftlichen Nutzung der Fläche – generieren. Zudem sinken die Betriebs- und Wartungskosten bei hoher Betriebssicherheit, wenn hochwertige Komponenten eingesetzt werden.
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Die hohe technische Zuverlässigkeit und langen Garantien machen solche Systeme für Banken und Versicherungen attraktiv – was Finanzierungskosten und Projektrisiken senkt. Das Ergebnis ist eine höhere und besser vorhersehbare Rendite über die Lebensdauer des Systems von über 30 Jahren.
Agri-PV mit Standardmontagesystemen in 2,1 Meter Höhe und langlebigen Glas-Glas-Modulen hat sich als skalierbare, wirtschaftlich tragfähige und nachhaltige Lösung etabliert. Sie integriert sich nahtlos in bestehende landwirtschaftliche Strukturen, minimiert Nutzungskonflikte und bietet über Jahrzehnte planbare Erträge.
Trina Solar
Den kompletten Beitrag inklusive einiger Projektbeispiele lesen Sie im nächsten Spezial rund um die Photovoltaik in der Landwirtschaft, das im Vorfeld der Energy Decentral erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie hier kostenlos herunterladen.