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Netzengpass 

Netzbetreiber in der Pflicht

Solarbetriebe merken es genauso wie Landwirte, die Grundbesitz für Freiflächenanlagen verpachten: Die Photovoltaikbranche hat Fahrt aufgenommen.

Während der Zubau im Jahr 2020 schon bei knapp fünf Gigawatt lag, dem höchsten Wert seit 2012, sollen es nach Schätzungen 2021 über sechs Gigawatt sein.

Zubau entwickelt sich stark

Markttreiber sind Speicher- und PPA-Lösungen genauso wie Elektromobilität und die Klimadiskussion. Nicht vergessen werden darf die Coronapandemie, die viele Hausbesitzer dazu bewegt hat, über Solarinvestitionen nachzudenken. Aber jeder Boom hat auch seine Schattenseiten.

Nicht immer ist das Stromnetz in der Lage, den gesamten Strom aus Photovoltaikanlagen abzunehmen.

Die Ursachen hierfür können vielfältig sein. Eine Rolle bei der Netzüberlastung spielt die mit der Sonneneinstrahlung korrelierende Einspeisung, die regionale Anzahl von Photovoltaik- und anderen Energieerzeugungsanlagen sowie der Zustand des Netzes.

Aber auch hiervon unabhängige Gründe wie zum Beispiel Reparatur- oder Ausbaumaßnahmen im Stromnetz können dazu führen, dass der Strom nicht abgenommen werden kann.

Vorgaben für Einspeisemanagement

Weil Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien gemäß den Vorgaben des Erneuerbare-Energien-Gesetzes mit Fernwirkeinrichtungen versehen sind, ist es dem Netzbetreiber möglich, eine Überlastungssituation abzuwenden, indem die Anlagen abgeregelt werden.

Die Netzbetreiber können jedoch nicht nach eigenem Ermessen darüber entscheiden, wann und wie lange eine Anlage abgeschaltet wird. Der Gesetzgeber hat für das sogenannte Einspeisemanagement klare Vorgaben im EEG gemacht.

Abregelung bei Netzengpass

So darf nach Paragraf 14 EEG der Netzbetreiber die Einspeiseleistung reduzieren, wenn andernfalls ein Netzengpass entstehen würde. Ausdrücklich festgelegt ist, dass der Netzbetreiber dabei den Vorrang für Strom aus erneuerbaren Energien beachten muss.

Er muss sicherstellen, dass die größtmögliche Strommenge aus EEG- und KWKG-Anlagen abgenommen wird. Ebenfalls privilegiert sind kleinere Photovoltaikanlagen bis 100 Kilowatt, auf die erst nachrangig zugegriffen werden soll.

Wichtig für Anlagenbetreiber ist die Informationspflicht des Netzbetreibers. Über vorhersehbare Abregelungen müssen Netzbetreiber spätestens am Vortag der Maßnahme informieren.

In jedem Fall müssen Anlagenbetreiber unverzüglich nach der Abregelung über Umfang, Dauer und Gründe der Maßnahme in Kenntnis gesetzt werden.

Netzbetreiber müssen informieren

Diese Informationspflichten haben nicht nur symbolischen Charakter. Sie sind für Anlagenbetreiber wichtig, um ihren Anspruch auf Entschädigungsleistungen zu prüfen. Nach Paragraf 15 EEG muss der Netzbetreiber die von Abregelungen betroffenen Anlagenbetreiber für die entgangenen Einnahmen entschädigen.

Nach der ab Januar 2021 geltenden Regelung umfasst die Ersatzleistung den vollständigen Einnahmeausfall und die zusätzlichen Aufwendungen. Ersparte Aufwendungen der Anlagenbetreiber sind in Abzug zu bringen. Zuvor war die Entschädigung in bestimmten Fällen auf 95 Prozent der Einnahmen begrenzt gewesen.

Dass der Netzbetreiber die Einspeisung abschaltet, fällt beispielsweise im Monitoring auf.

Foto: Goldbeck Solar

Dass der Netzbetreiber die Einspeisung abschaltet, fällt beispielsweise im Monitoring auf.

Ohne Engpass keine Entschädigung

Aber nicht jede Abregelung einer Photovoltaikanlage berechtigt zur Ausgleichszahlung. Entscheidende Voraussetzung ist, dass es einen Netzengpass im Sinne von Paragraf 14 EEG gegeben hat. Der Bundesgerichtshof hat sich in zwei aktuellen Entscheidungen damit auseinandergesetzt, wann von einem solchen Netzengpass auszugehen ist.

Mit Urteil vom 17. Juni 2020 (Aktenzeichen XIII ZR 27/19) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass auch Reparatur-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen einen Netzengpass verursachen können, der zu Entschädigungsansprüchen der Anlagenbetreiber führt.

Ein Netzengpass liegt demnach vor, wenn das Stromnetz insgesamt oder Teile davon überlastet sind oder eine solche Überlastung droht und das Stromnetz daher nicht mehr sicher betrieben werden kann.

Auf welcher Ursache die Überlastung beruht, ist nach Auffassung der Richter nicht maßgeblich. Ein Netzengpass könne daher sowohl durch eine überhöhte Einspeisung als auch eine verringerte Ausspeisung verursacht werden. Auch Störungen, Reparaturen oder Wartungen könnten Gründe hierfür sein.

Richter definieren Netzengpass

In einem weiteren Urteil vom 26. Januar 2021 (Aktenzeichen XIII ZR 18/19) grenzt der BGH den Netz­engpass davon ab, dass ein Netzbereich vollständig außer Funktion gesetzt ist. Sobald eine Stromeinspeisung gänzlich unterbleibe und ein Netzbetrieb in dem betroffenen Netzbereich physikalisch nicht mehr möglich sei, könne nicht mehr von einem Netzengpass gesprochen werden.

In dem verhandelten Fall war es um Netzausbaumaßnahmen gegangen, die dazu geführt hatten, dass ein Leitungssystem komplett abgeschaltet werden musste. Der Betreiber einer Freiflächen-Photovoltaikanlage konnte in diesem Zeitraum keinen Strom mehr einspeisen und machte einen Ertragsausfall von über einer Million Euro geltend.

Der BGH erteilte ihm jedoch eine Absage. Eine Entschädigung setze voraus, dass die geregelte Anlage vom Netz getrennt werde, um eine Verringerung der Strommenge in einem bestimmten Netzbereich herbeizuführen. Hierzu ist es nach Auffassung des Gerichts erforderlich, dass dieser Netzbereich von anderen Stromerzeugern genutzt werde. Gerade das war aber in dem entschiedenen Fall anders, weil der Netzbereich vollständig stillgelegt war.

Trennung vom Netz begrenzen

Ergänzend hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass der Netzbetreiber auch bei der Durchführung des Einspeisemanagements auf die Interessen der Anlagenbetreiber Rücksicht nehmen muss. Andernfalls drohen ihm Schadensersatzforderungen.

So habe er zum Beispiel die Trennung vom Netz auf den notwendigen Zeitraum zu begrenzen. Bei längerfristigen Maßnahmen komme es auch in Betracht, dem Anlagenbetreiber technische Überbrückungsmaßnahmen zu ermöglichen, um die Folgen der Abregelung zu minimieren.

Wird eine Photovoltaikanlage abgeregelt, was Anlagenbetreiber möglicherweise zunächst über das Anlagenmonitoring erfahren, so empfiehlt es sich, einen aufmerksamen Blick auf die weitere Kommunikation mit dem Netzbetreiber zu richten: Entspricht die Information des Netzbetreibers den gesetzlichen Vorgaben des EEG? Besteht ein Anspruch auf Entschädigung nach Paragraf 15 EEG?

Pflichten verletzt?

Wenn nein: Sind möglicherweise Pflichtverletzungen des Netzbetreibers erkennbar, die Schadensersatz begründen können? Das EEG hat die Anlagenbetreiber mit starken Rechten ausgestattet. Gerade beim Einspeisemanagement kommt es darauf an, sie auch zu nutzen.

Wird die Einspeisung der Wirkleistung durch den Netzbetreiber abgeregelt, muss er den Anlagenbetreiber informieren – und die Entscheidung gut begründen.

Foto: Goldbeck Solar

Wird die Einspeisung der Wirkleistung durch den Netzbetreiber abgeregelt, muss er den Anlagenbetreiber
informieren – und die Entscheidung gut begründen.

Der Autor

Dr. Thomas Binder
ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei in Freiburg im Breisgau ist auf das EEG und Solarenergie spezialisiert. Seit 2004 berät er seine Klienten deutschlandweit zu allen Rechtsfragen rund um die Photovoltaik. Er kennt die technischen und betriebswirtschaftlichen Hintergründe einer Solarinvestition ebenso wie die Geschäftspraxis zwischen Netzbetreibern, Anlagenbetreibern und Photovol­taikfachfirmen.

Foto: Binder