Stagnierende Installation von intelligenten Zählern, unwirtschaftliche Regelungen für Energy Sharing und Kleinspeicher mit und ohne Photovoltaik – die Liste der Fehlstellen für die bürgernahe Energiewende ist lang. Dies kritisieren die Deutsche Umwelthilfe (DUH), das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) und der Bundesverband Steckersolar (BVSS) in einer gemeinsamen Erklärung.
Flexibilitäten nutzbar machen
Sie warnen davor, dass durch die fehlenden Flexibilitätsmöglichkeiten und die unpassenden Regelungen das enorme Potenzial der dezentralen Energiewende nicht ausgeschöpft wird. So kritisiert Rupert Wronski, stellvertretender Leiter Kommunaler Umweltschutz bei der DUH, den schleppenden Smart-Meter-Rollout. „Laut Koalitionsvertrag möchte die Bundesregierung Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärkeren Mitgestaltern der Energiewende machen. Die Grundvoraussetzung dafür – ein flächendeckender Smart-Meter-Rollout – ist jedoch in weiter Ferne“, sagt er.
Smart Meter: Deutschland liegt ganz hinten
Wronski verweist darauf, dass in Deutschland nur drei Prozent der Anschlüsse mit einem intelligenten Messgerät ausgestattet sind und die Bundesrepublik damit europaweit ganz hinten liegt. „Beim aktuellen Tempo ist hierzulande mit einer Einbauquote nahe 100 Prozent erst nach 2040 zu rechnen“, wettert Wronski. „Gründe dafür sind neben dem sehr langwierigen Zertifizierungsprozess für die Geräte auch die unterschiedlichen Prozesse der über 800 Verteilnetzbetreiber sowie die hohen Kosten und Vorgaben für deren Einbau.“
Exklusiv für Abonnenten: Netzdienliche Gebäude statt Blackout
Dabei wäre die überwiegende Mehrheit der Bundesbürger für den Einbau von Smart Metern längst bereit. Damit könnten auch kleinere Stromproduzenten mehr Verantwortung für die Energiewende übernehmen. „Statt weiter den Gasausbau zu forcieren, sollte die Bundesregierung dringend einen Prozess zum Smart-Meter-Light-Rollout anstoßen sowie die Verteilnetzbetreiber stärker in die Pflicht nehmen“, fordert der DUH-Experte.
Regelungen fürs Energy Sharing unzureichend
Doch auch beim Energy Sharing hat die Bundesregierung selbst mit der jüngsten Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) eine riesige Baustelle offengelassen. Lediglich die Grundlagen sind gelegt, was aber auch nur möglich war, weil es von der EU vorgegeben ist. „Energy Sharing ermöglicht es Nachbarschaften und Bürgerenergiegemeinschaften, selbst erzeugten Strom miteinander zu teilen“, erklärt Valérie Lange, Leitung Energiepolitik und Regulierung beim BBEn, das Ziel.
Energierechtsnovelle: Koalition steht auf der Bremse
Dies schaffe neue Investitionschancen für Bürger:innen und stärke die Beteiligung der Menschen an der Energiewende. „Doch mit dem neuen Gesetz funktioniert die Praxis leider noch nicht: Einerseits fehlen wirtschaftliche Anreize“, sagt sie mit Blick unter anderem auf die Tatsache, dass beim Stromhandel zwischen zwei benachbarten Gebäuden genauso hohe Netzentgelte anfallen, wie für den Stromtransport durch halb Europa. „Andererseits erschweren mangelnde Digitalisierung und uneinheitliche Datenformate zwischen Netz-, Anlagen- und Verbrauchsakteuren die Umsetzung. Die Energiewende vor Ort funktioniert nur dann, wenn Prozesse dahinter funktionieren“, betont Valérie Lange.
Endlich flexible Netzentgelte einführen
Craig Morris, Geschäftsführer des BVSS, sieht auch nur kleine Fortschritte beim Energy Sharing durch die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes. „Aber Haushalte mit Kleinspeichern bleiben erneut außen vor“, kritisiert er. „Weder die längst überfällige vereinfachte Anmeldung von Kleinspeichern noch variable Netzentgelte haben den Weg in das Gesetz geschafft. Dabei könnten genau diese Bausteine Millionen Haushalte in die Lage versetzen, aktiv zur Energiewende beizutragen und Netze zu entlasten.“
Österreich will flexible Netztarife einführen
Er verlangt, dass die Politik Bürgerlösungen nicht weiter unnötig verkompliziert. „Das ist ein strategischer Fehler“, warnt Morris. „Eine vollständig auf erneuerbaren Energien basierende Energieversorgung funktioniert erst, wenn alle Flexibilitäten im System genutzt werden. Dazu muss endlich auch die Rolle von Kleinspeichern gestärkt werden“, verlangt er. (su)