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Markus Fischer & Jochen Endle von Hanwha Q-Cells: “Heute fertigen wir neun Gigawatt“

Sonnenstrom ist Solidarstrom: Q-Cells hat die Solartechnik maßgeblich geprägt. Nach schwierigen Jahren ist das Unternehmen nun für globales Wachstum stark aufgestellt. Technikchef Dr. Markus Fischer und Sprecher Jochen Endle skizzieren die Entwicklung und wagen einen Ausblick.

Welche Rolle hat Q-Cells bei der Entwicklung der Photovoltaik gespielt?

Jochen Endle: Im Jahr 1999 gegründet, hat das Unternehmen die Solarindustrie wesentlich mitgeprägt. Anfangs ging es vor allem um Solarzellen, 2001 ging die erste Zelle vom Band. In den Folgejahren hat Q-Cells viele Entwicklungen eingeführt, die Industriestandards wurden. Später kamen Solarmodule hinzu. 2005 ging Q-Cells an die Börse. 2008 eröffneten wir die damals modernste Fabrik in Malaysia. In der Krise 2012 stieg das koreanische Unternehmen Hanwha ein und wir gründeten Hanwha Q-Cells. Heute sind wir einer der zehn größten Modulhersteller der Welt mit Fabriken in Korea, Malaysia, China und den USA. In Thalheim bei Bitterfeld-Wolfen sitzt das weltweit verantwortliche Zentrum für Forschung & Entwicklung – bis heute.

Markus Fischer: Q-Cells hat seinerzeit mit Vier-Zoll-Multizellen begonnen, damals noch mit zwei Busbars. Wir waren die ersten, die auf Sechs-Zoll-Zellen umgeschwenkt sind, dann mit drei Busbars. Wir haben 156 Millimeter mal 156 Millimeter als Standardmaße für die Solarzellen definiert, er galt bis vor zwei Jahren. Wir waren versuchsweise auch mit Acht-Zoll-Zellen unterwegs, auch mit Rückseitenkontaktierung. Das war der Zeit schon sehr weit voraus.

Gab es bestimmte Meilensteine in der Fertigungstechnik, die Sie herausheben möchten?

Markus Fischer: 2008 und 2009 haben wir den Dotmatrix-Code in unseren Fertigungslinien eingeführt. Die Fabrik in Malaysia war seinerzeit die erste automatische Zellfertigung der Welt, die diese Technik nutzte. Der Code ist eine kleine Lasermarkierung auf der Zelle, die wir durch die gesamte Produktion bis ins Modul tracken. Auf diese Weise konnten wir die Qualität kontinuierlich erhöhen und die Zellwirkungsgrade schneller steigern. Wenn Sie so wollen, ist der Code so etwas wie der Personalausweis der Zelle, die jeden einzelnen Schritt nachvollziehbar macht.

Jochen Endle: Jeder Prozessschritt wird in einer Datenbank erfasst und verwaltet, bis zum fertigen Modul. Das war seinerzeit wegweisend für die Industrie und ist noch heute einzigartig.

Technologisch ist Q-Cells vor allem mit der Qantum-Technik erfolgreich. Wann kamen diese Zellen in die Massenfertigung?

Markus Fischer: Die Qantum-Zellen haben wir ab 2012 schrittweise in die Massenfertigung überführt, zunächst in einzelnen Produkten. Bei dieser Perc-basierten Technologie wird die Rückseite der Zelle mit Nanoschichten versehen und verspiegelt. Ungenutzte Sonnenenergie wird in die Zelle zurückgeworfen, um sie in Strom zu wandeln. Das hat den Wirkungsgrad deutlich erhöht. 2015 begannen wir die Umstellung der gesamte Kapazität von Hanwha Q-Cells auf QantumZellen, zuerst in allen multikristallinen Solarzellenfertigungen. Ab 2016 haben wir Qantum erstmals auch bei monokristallinen Zellen eingesetzt.

Jochen Endle: 2017 haben wir im Werk in Korea die Milliardste Qantum-Zelle gefertigt. Bis 2019 haben wir insgesamt rund 15 Gigawatt mit solchen Hochleistungszellen produziert.

Wo sehen Sie weitere Verbesserungen beim Wirkungsgrad der Zellen?

Markus Fischer: Mit unserer p-Typ Qantum-Zelle können wir perspektivisch mehr als 24 Prozent erreichen. Wir haben die Kontaktierung verbessert, reduzieren die Fingerbreiten, erhöhen die Anzahl der Busbars und sind auf Halbzellen umgestiegen, die wir mit Drähten verschalten. Qantum ist außerdem ideal geeignet, um bifaziale Zellen herzustellen. Das werden wir auf alle Fälle implementieren und mit den genannten Verbesserungen kombinieren.

Jochen Endle: Außerdem werden wir bald so genannte Gapless-Module sehen. Dabei werden die Zellen und Zellstrings ohne Zwischenräume in den Modulen verschaltet, also lückenlos aneinander gelegt. Auch dadurch erzielen wir mehr Leistung aus den Modulen.

Sehen Sie einen Trend zu Heterojunction-Zellen?

Markus Fischer: Es gibt Hersteller, die das seit Jahren betreiben, indem sie die Siliziumzelle mit amorphem Silizium kombinieren. Solche Heterojunction-Zellen haben eine andere Zellarchitektur, die andere Prozessschritte in der Fertigung benötigt. Diese sind keineswegs leicht zu beherrschen. Für uns ist das aktuell kein Thema. Wir sind sicher, dass wir die p-Typ-Zellen noch ein ganzes Stück weiter bringen können, indem wir unsere Qantum Technologie optimieren und mit weiteren technologischen Entwicklungen auf Zell- und Modulebene kombinieren. Im nächsten Schritt könnten auch die neuen Tandemzellen aussichtsreich sein, die Perowskite und Siliziumzellen kombinieren. Sie nutzen das solare Spektrum besser aus. Allerdings ist die Industrie hier noch einige Schritte von massentauglichen Produkten entfernt.

Q-Cells gehört seit der Jahrtausendwende zu den wichtigsten Treibern der Solartechnik. Andere Unternehmen, die damals antraten, sind mittlerweile verschwunden. Bei Q-Cells stieg der koreanische Hanwha-Konzern ein. Wie schätzen Sie das rückblickend ein?

Jochen Endle: Manchmal ist es eine Frage des Timings. In den Krisenjahren 2011 und 2012 gab es nicht so viele große Konzerne, die in der Solarindustrie langfristige Ziele verfolgten. Im Gegenteil: Bosch und Siemens stiegen beispielsweise gerade aus. Die ehemalige Q-Cells SE ging im Jahr 2012 in die Insolvenz. Zwei Jahre zuvor hatte Hanwha bereits den chinesischen Modulhersteller Solar One übernommen. Nun bot sich die Chance, eine sehr starke Marke zu übernehmen, mit einem weltweit führenden Forschungszentrum in Deutschland und einer starken Fabrik in Malaysia. So gelang die Kombination von koreanischer Finanzkraft, unternehmerischem Weitblick und deutscher Erfahrung in der Technologie.

Welche Herausforderungen mussten Sie bewältigen, damit Q-Cells und Hanwha zusammenwuchsen?

Jochen Endle: Die Herausforderungen waren sprachlicher, kultureller und technischer Art. Das haben wir sehr gut gemeistert und arbeiten kontinuierlich weiter daran. Beide Unternehmen – Hanwha Solar One und Hanwha Q-Cells – wurden nicht sofort vereint. Bis Ende 2014 agierten sie autark, um sie zunächst auf gesunde Füße zu stellen. 2015 verschwand Solar One als Marke, während Q-Cells nun die Solarsparte von Hanwha prägt. Seit der Insolvenz sind wir sieben Jahre weiter und blicken auf eine spannende, einzigartige und gemeinsame Geschichte zurück. Dass Hanwha Q-Cells daraus gestärkt hervorging, beweist diese Zahl: Unsere Werke haben zusammen eine integrierte Fertigungskapazität von neun Gigawatt im Jahr. Das sind acht Gigawatt mehr als 2013.

Wie reiht sich das Forschungs- und Entwicklungszentrum in Thalheim in den Konzern ein?

Markus Fischer: Das Zentrum für Technologie und Innovation ist das Herz und Hirn der Solartechnik von Hanwha Q-Cells. Es sitzt in Thalheim, hier arbeiten rund 200 Ingenieure und Forscher. In den verschiedenen Werken haben wir kleine R&D-Teams, die sich um die Implementierung neuer Prozesse kümmern. Dazu arbeiten sie eng mit uns zusammen. Diese Aufstellung ist einzigartig in unserer Industrie und sie funktioniert sehr gut, darauf sind wir stolz. 2019 haben wir in Thalheim bereits mehr als sechs Millionen Euro in unser Entwicklungszentrum investiert.

Jochen Endle: Darüber hinaus führt die Hanwha Q-Cells GmbH von Thalheim und Berlin aus das Geschäft in Europa. Seit Anfang 2018 haben wir 90 neue Stellen geschaffen. Insgesamt haben wir in Deutschland jetzt 520 Stellen. Daran kann man erkennen, dass wir auf Wachstumskurs sind. Wir machen den Vertrieb in der EU, ebenso das Geschäft mit großen Solarparks. Unsere EPC-Unit ist beispielsweise in Polen sehr aktiv. Weil die Märkte in Europa reifer sind, entwickeln wir hier auch die neuen Geschäftsmodelle.

So wirkt Q-Cells in Deutschland auch als Labor für neue Geschäftsmodelle…

Jochen Endle: Genau. Wir haben hierzulande zum Beispiel die Komplettpakete entwickelt, die Solarmodule und Stromspeicher kombinieren. Auch Cloudservices und die Direktvermarktung für die Anlagen von 100 bis 750 Kilowatt kommen von uns. Demnächst steigen wir in die Elektromobilität ein, mit einer Ladesäule von Q-Cells und seit diesem Jahr kann in Deutschland jeder bei uns Kunde werden – ganz ohne eigene Solaranlage – mit einem Stromvertrag von Q-Cells.

Q-Cells hat die Höhen und Tiefen des EEG und der Energiewende in Deutschland mitgemacht. Was wünschen Sie sich heute von der Politik?

Jochen Endle: Über die Solartechnik wird viel zu wenig gesprochen. Aber wir haben eine Antwort auf die Herausforderungen, die sich durch den Klimawandel ergeben! Bei der Stromwende steht die Regierung nach wie vor auf der Bremse. Auch bei der Wärmewende werden wir viel mehr Sonnenstrom brauchen. Deshalb ist es entscheidend, zunächst einmal den Förderdeckel abzuschaffen. Es ist an der Zeit, ein starkes Zeichen für die Sonnenenergie in unserem Land zu setzen!

Markus Fischer: Solarstrom ist nicht mehr teuer, sondern er ist voll wettbewerbsfähig. Die Auktionen zeigen das deutlich, mit weniger als fünf Cent je Kilowattstunde. Mit Sonnenstrom kann man Wärmepumpen günstig betreiben, oder ihn als Wasserstoff speichern, über Power2Gas. Um Kühlaggregate und E-Autos zu betreiben, müssen wir möglichst viele Dachflächen mit Photovoltaik nutzen.

Mittlerweile ist Sonnenstrom so preiswert, dass Jedermann davon profitieren könnte...

Jochen Endle: Dass sich nur Ärzte und reiche Leute eine Photovoltaikanlage leisten können, stimmt schon längst nicht mehr. Es sollte als unsolidarisch gelten, wenn jemand sein Dach nicht für Photovoltaik nutzt, es nicht der Energiewende zur Verfügung stellt. Die Photovoltaik muss eine zentrale Säule der Energiewende werden, und zwar einer solidarischen Energiewende. Fördern, statt bremsen: Man könnte beispielsweise den Eigenverbrauch von Firmen von der EEG-Umlage entlasten. Im Moment sieht es so aus, als könnte sich der Förderdeckel schon in der ersten Jahreshälfte 2020 schließen. Wir müssen als Solarindustrie lauter werden, damit endlich Bewegung in die Energiewende kommt.

Markus Fischer: Wir stehen am Anfang eines globalen Wachstums, dem sich Deutschland nicht verweigern darf. In diesem Jahr werden wir weltweit rund 120 Gigawatt Photovoltaikleistung zubauen. Die Kapazität der Werke beträgt rund 160 Gigawatt, und die Kapazitäten werden enorm ausgebaut. Es ist also nicht damit zu rechnen, dass die Technik irgendwann einmal wieder teurer werden könnte.

Das Gespräch führten Petra Franke und Heiko Schwarzburger.

Sonnenstrom ist Solidarstrom: Hier finden Sie viele andere Statements zur solaren Energiewende und den Chancen für Deutschland.

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