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Mehrfamilienhaus in Sachsen nahezu energieautark

Niesky liegt im sächsischen Landkreis Görlitz nahe der polnischen Grenze. In der Rosenstraße steht ein moderner Neubau, der ein kleines Sonnenkraftwerk ist. Das Mehrfamilienhaus mit zwölf Wohnungen produziert den Großteil seines Bedarfs an Wärme und Stroms selbst. Ermöglicht wird dies durch großflächige Photovoltaik, Batteriespeicher, Infrarotheizung und dezentrale Autarkie-Boilern für Warmwasser.

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Flatrate: Wohnen ohne Nebenkosten

Das Herzstück des Geschäftsmodells ist die Pauschalmiete: Statt der monatlichen Grundmiete plus Nebenkosten zahlen die Mieter einen festen Betrag, der alle Kosten für Wohnen, Heizung, Warmwasser, Haushaltsstrom und Glasfasernetz abdeckt. Jeder Stellplatz in der Tiefgarage verfügt über eine Ladebox fürs E-Auto.

Mindestens fünf Jahre lang bleibt die Miete dank dieser Energie-Flatrate stabil. „Wir schreiben die Miete zwischen 14 und 15 Euro pro Quadratmeter für fünf Jahre fest“, erklärt der Boxberger Bauunternehmer Matthias Schur, der gemeinsam mit seinem Bruder solche Häuser schlüsselfertig baut und vermietet. „Das bedeutet für den Mieter null Euro Nachzahlung und für uns Kostenersparnis, weil wir weniger Administration haben und keine Fremdfirmen mit dem Ablesen der Heizung beauftragen müssen.“

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Der Verbrauchsdeckel sei sehr komfortabel, berechnet durch Mieterbefragungen. „So kann im Grunde jeder Mieter die Konditionen mitgestalten“, urteilt Schur. „Gleichzeitig werden die Mieter zu mehr Bewusstsein beim Nutzen elektrischer Geräte motiviert.“

Von März bis Oktober autark

Die Zahlen beeindrucken: Das Gebäude erreicht eine reale Autarkiequote von 60 Prozent. Von Mitte März bis Mitte Oktober läuft der Betrieb sogar nahezu vollständig unabhängig vom Stromnetz. In dieser Zeit stammt die gesamte Energie von der Sonne, erzeugt durch Solarmodule auf dem Dach, an Fassade und Balkonen (133,6 Kilowatt installierte Solarleistung).

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Überschussstrom wird in Batteriespeichern zwischengespeichert. Er versorgt die Bewohner bei schlechtem Wetter oder in den Abendstunden.

Der CO₂-Ausstoß während dieser autarken Phase: Null. Selbst in den Wintermonaten ist der Zukauf aus dem Netz vergleichsweise gering, da das Gebäude dank seiner kompakten Bauweise und moderner Dämmung wenig Energie benötigt.

Netzdienliches Gebäude

Ein weiteres Plus für Mieter und Vermieter: Das Gebäude ist netzdienlich ausgelegt. Es kann beispielsweise im Sommer nachts anstatt tagsüber überschüssige Solarenergie ins Netz einspeisen. Im Winter kann es mit preiswertem Windstrom den Akku günstig aufladen oder in Zeiten hoher Netzlast den Eigenverbrauch durch Abschalten der Infrarotheizung oder der Autarkie-Boiler drosseln.

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Das spart enorme Kosten. Damit ist das Wohnhaus vorbereitet auf die Herausforderungen der Energiewende, in der flexible Verbraucher und Speicher eine immer größere Rolle spielen.

Im Vergleich zu üblichen Neubauten liegen die monatlichen Energiekosten für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom pro Wohnung bei nur 0,50 Euro pro Quadratmeter. Ein Spitzenwert. Für die Bewohner heißt das planbare, niedrige Wohnkosten und ein Beitrag zum Klimaschutz in einem.

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Weniger Technik im Gebäude

Ein Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg ist die enttechnisierte Bauweise. Statt auf störanfällige wassergeführte Heizsysteme oder Wärmepumpen zu setzen, kommt das Haus ohne Rohrleitungen, Heizkreise und Pumpen aus. Die Infrarotheizungen werden elektrisch betrieben, sind wartungsfrei und halten etwa 30 Jahre.

Warmwasser wird in dezentralen Autarkie-Boiler in jeder Wohnung erzeugt. Der thermische Schutz vor Legionellen und zentrale Warmwasserspeicher entfallen.

Auch für die Schurs als Eigentümer bedeutet das Ersparnisse: Geringere Investitionskosten, keine Wartungsverträge, weniger Reparaturbedarf und eine günstigere Versicherung fürs Gebäude. In Summe können sie als Vermieter zwei bis drei Euro pro Quadratmeter mehr Miete erzielen.

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Signalwirkung für schwächelnde Baubranche

Zudem erhöht sich der Verkaufswert der Immobilie. Das dürfte Investoren aufhorchen lassen. Ab Oktober sind die Wohnungen bezugsfertig. „Wir merken jetzt schon in der Vermietung, dass die Entscheidung genau richtig war,“ berichtet Matthias Schur. „Wir bauen nicht mehr anders!“

Die nächsten hochgradig energieautarken Mehrfamilienhäuser seien bereits geplant, in Weißwasser und in Bautzen. Die steigenden Anfragen von Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften bestärken die Schurs dabei. (TL/HS)

Der Autor: Prof. Dipl.-Ing. Timo Leukefeld ist Experte für  Wohngebäude der Zukunft. Seit 2011 hält er eine Honorarprofessur an der Staatliche Studienakademie Glauchau und lehrt an der TU Bergakademie Freiberg das Fach „Vernetzte energieautarke Gebäude“.