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Thomas Schoy: Wenn das Netz bremst

Große Worte, kleine Schritte: So lässt sich die derzeitige Energiepolitik zusammenfassen. Während die erneuerbaren Energien längst das Rückgrat der Stromversorgung stärken, rückt die politische Diskussion in eine fragwürdige Richtung: Weg vom Tempo und hin zu Gebühren.

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Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie fordert mehr Systemverantwortung von Wind- und Solarparkbetreibern, ein Begriff, der in der Praxis wenig mit Netzstabilität und dafür viel mit einer Kostenverlagerung zu tun hat. Die Argumentation: Das Stromnetz gerät unter Druck, die Kosten für den notwendigen Ausbau steigen, die Allgemeinheit dürfe das nicht länger schultern.

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Langsamer Netzausbau

Stattdessen sollen Projektierer die Kosten tragen, entweder über Einspeisegebühren oder über Zuschüsse zum Netzanschluss. Was zunächst logisch klingt, zeigt bei genauerem Hinsehen eine besorgniserregende Schieflage.

Denn die Netzprobleme stammen nicht vom zu schnellen Ausbau der Erneuerbaren, sondern vom viel zu langsamen Ausbau der Netzinfrastruktur. Dabei kämpft die Praxis mit ganz anderen Problemen: Netzanschlüsse bleiben in vielen Projekten über Monate oder sogar Jahre hinweg unklar.

Der entscheidende Punkt der Einspeisung ergibt sich oft erst spät im Genehmigungsverfahren, wenn bereits große Beträge und enormer personeller Aufwand in Planung, Flächenakquise und Umweltgutachten geflossen sind. Ohne die frühzeitige Zuteilung eines verbindlichen Netzanschlusspunktes entwickelt sich ein Großteil der Projekte zum Risiko.

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Kostendebatte statt Netzausbau

Anstatt den Kurs der Energiewende entschlossen zu halten, öffnet sich aktuell eine gefährliche Nebelzone. Sie droht nicht nur Projektentwickler, sondern das gesamte Vorhaben Klimaneutralität vom Weg abzubringen.

Im Mai veröffentlichte die Bundesnetzagentur ein Diskussionspapier zur Reform der Netzentgelte. Die Richtung scheint dabei eindeutig: Künftig sollen die Betreiber von Photovoltaikanlagen und Windparks stärker für die Kosten des Netzanbaus aufkommen.

Mal geht es um Baukostenzuschüsse beim Netzausbau, mal um laufende Einspeisegebühren, stets zu Lasten der Erneuerbaren. Andere Marktakteure, wie etwa Gaskraftwerke, bleiben von diesen Überlegungen bislang unberührt.

Netzbetreiber geben Infos nur häppchenweise

Ein fataler Kurs, der in der Fläche schon länger Wirkung zeigt. Netzbetreiber geben selbst grundlegende Informationen oft nur häppchenweise preis. Die Lage eines Anschlusspunkts, seine technische Machbarkeit oder die dazugehörigen Auflagen, all das liegt manchmal erst Monate nach Projektstart auf dem Tisch.

Kabeltrassen führen über fremde Grundstücke und die Abstimmung mit den entsprechenden Eigentümern kostet neben Geld auch einiges an Zeit. Im schlimmsten Fall können hier, bei fehlender Zustimmung, ganze Projekte scheitern.

Netze kranken an Überlastung

Die gesamte Netzinfrastruktur krankt an Überlastung. Gleichzeitig wird in der Diskussion völlig ausgeblendet, dass bei Stromlieferung im Rahmen von Power Purchase Agreements (PPAs), grundsätzlich immer Netzentgelte für die Durchleitung anfallen. Lediglich für Anlagen, die über das Marktprämienmodell mit gesetzlichen Mindestvergütungen vermarktet werden, ist das derzeit nicht der Fall – ein Konstrukt, das ohnehin bald der Vergangenheit angehören dürfte.

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Zusätzliche Nebenkosten für Projektierer einzuführen bedeutet daher, doppelt zu belasten, ohne einen erkennbaren Nutzen für die Netzstabilität zu schaffen. Altlasten für alle – Sonderlasten für die Erneuerbaren?

Planungen stecken fest

Dabei zeigt ein Blick zurück: Jahrzehntelang bezahlte die Allgemeinheit für fossile Infrastruktur. Seien es der sogenannte Kohlepfennig, staatliche Entlastungen für energieintensive Industrien oder Milliarden für neue LNG-Terminals – alles ohne Aufschrei und Zulasten des Steuerzahlers.

Nun aber sollen ausgerechnet jene zahlen, die die Energiewende überhaupt erst ermöglichen? Während große Konzerne durch enge Verbindungen zu Netzbetreibern häufig bevorzugt Netzkapazitäten reservieren, trifft diese Unsicherheit vor allem kleine und mittelständische Projektierer.

Wer nicht rechtzeitig verbindliche Zusagen erhält, kann keine Verträge abschließen, weder mit Investoren noch mit Flächeneigentümern. Die Argumentation, der EE-Ausbau erfolge zu schnell, um vom Netz bewältigt zu werden, greift zu kurz. Vielmehr passt sich das Netz nicht dem Bedarf an, weil notwendige Maßnahmen in der Planung steckenbleiben.

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Mehr als 13.000 Kilometer Leitung

Über 13.000 Kilometer Leitung müssten in den nächsten Jahren ertüchtigt oder neu gebaut werden. Doch Planung, Genehmigungen und Ausführung verlaufen quälend langsam.

Noch absurder wirkt die aktuelle Debatte, wenn man sich die teils hohen Renditen der großen Netzbetreiber ansieht. Lauf Analyse von Branchenverbänden wie dem Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) werden Renditen erzielt, die kaum durch überdurchschnittliche Risiken gerechtfertigt sind.

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Gefährliches Monopol der Netzbetreiber

Denn die Nutzung der Netze ist für Erzeuger wie Verbraucher alternativlos, niemand kann auf andere Anbieter ausweichen. Während also gesicherte Erträge für Nutzbetreiber quasi garantiert sind, soll das Investitionsrisiko für Erneuerbare-Anlagen zusätzlich steigern.

Diese Schieflage konterkariert nicht nur die Energiewende, sondern wirft Fragen nach Fairness und Kostenwahrheit im Strommarkt auf. In einem funktionierenden Energiesystem braucht es Transparenz, Planbarkeit und verbindliche Rahmenbedingungen, nicht noch zusätzliche finanzielle Belastungen.

Jede künstlich eingeführt Hürde verzögert Projekte, die eigentlich längst ins Netz einspeisen könnten. Energiewende gelingt nicht durch neue Hürden, sondern durch faire Spielregeln.

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Gewinne der Netzbetreiber einsetzen

Systemverantwortung darf nicht bedeuten, einseitig Verantwortung abzuwälzen. Stromnetze dienen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Ihre Finanzierung gehört nicht auf die Schultern einzelner Marktteilnehmer. Wer ernsthaft den Klimaschutz voranbringen will, muss den Netzausbau endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstehen.

Dazu gehört auch, dass die garantierten Gewinne der Netzbetreiber stärker in die Pflicht genommen werden, um den dringenden Ausbau zu beschleunigen, statt Projektierer zusätzlich zu belasten. Ohne zuverlässige Netzanschlüsse lassen sich selbst technisch ausgereifte und genehmigte Solarparks nicht realisieren.

Lieber ausbremsen statt gestalten

Die Energiewende versandet nicht an Ideen oder Kapital, sondern an fehlender Infrastruktur und politisch gewollter Schieflage bei den Kosten. Reiches Vorschläge stehen symptomatisch für ein Denken, das lieber ausbremst als gestaltet.

Eine Vision für ein erneuerbares Stromsystem braucht Mut zur Fairness, nicht Angst vor Verantwortung. Wer das Netz entlasten will, sollte es nicht schwächen. Sondern endlich dafür sorgen, dass alle, die Strom erzeugen, auch einspeisen können, zu klaren Bedingungen und auf Augenhöhe.

Der Autor: Thomas Schoy ist diplomierter Kaufmann und geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensgruppe Privates Institut in München. Nach seiner Tätigkeit für Banken, Versicherungen und in der Finanzberatung war er einer der ersten Investmentberater, die sich auf erneuerbare Energien konzentrierten. Dabei setzte er beispielsweise Beteiligungsmodelle für Windparks um. Daneben vermittelt er sein betriebswirtschaftliches Know-how als Privatdozent in verschiedenen Instituten.

Privates Institut: Seit 1991 konzipiert, entwickelt, plant, baut, veräußert und verwaltet die Unternehmensgruppe Investments in Sachwerte. Hierbei liegt der Fokus seit 14 Jahren ausschließlich auf erneuerbaren Energien – im Besonderen auf der Photovoltaik. Als eines der führenden Unternehmen in diesem Bereich spezialisiert sich die Unternehmensgruppe auf einzelunternehmerische Investments in Photovoltaikanlagen auf fremden oder eigens erworbenen Flächen. Das Institut bietet seinen Kunden alle Wertschöpfungsstufen für eine sichere und ertragreiche Geldanlage mit den für Einzelunternehmer typischen steuerlichen Aspekten. Gleichzeitig ermöglichen es Eigentümern von Grundstücken und Gebäuden sowie Kommunen die Teilhabe sowohl durch Sanierung der Flächen als auch durch Möglichkeiten der Beteiligung für die Bürger vor Ort. Aktuell umfasst das Portfolio der Unternehmensgruppe rund 200 Standorte mit Anlagen in ganz Deutschland, die PI sowohl technisch als auch kaufmännisch verwaltet.

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