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“Wir sind bereit für einen großen Speichermarkt.“

Herr Schein, Varta Micro AG gehört zu den Vorreitern bei Solarspeichern. Wie wird die neue Fabrik in Nördlingen in die Unternehmensgruppe integriert?

Herbert Schein: In Nördlingen bündeln wir alle Aktivitäten von Varta Storage. Dort befinden sich ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für neue Energiespeicher und eine Fertigung für die Engion-Systeme. Bei Varta Microbattery in Ellwangen steht die Entwicklung und Produktion der Batteriezellen im Mittelpunkt. Hier fertigen wir über 800 Millionen Zellen im Jahr.

Alle sprechen von Stromspeichern und Batterien für die Photovoltaik. Wie bewerten Sie die Entwicklung in diesem recht jungen Marktsegment?

Im vergangenen Jahr hatten wir unseren Engion-Speicher erstmals auf der Intersolar vorgestellt, die Rückmeldungen waren sehr positiv. Heute liefern wir aus. Die Herausforderung ist es, die Produktion in möglichst kurzer Zeit auf die hohe Nachfrage hin hochzufahren. Wir sind gespannt darauf, wie sich der Markt auch mittelfristig entwickeln wird.

Das Speichersystem Engion Family wurde speziell für die Versorgung von Privathaushalten mit Sonnenstrom entwickelt. Welche Eigenschaften hat es?

Seine Aufgabe ist es, den Solarstrom zwischenzuspeichern und auf Abruf vorzuhalten. Es ist ein Komplettsystem, das für jede Solaranlage passt – für eine Neuanlage oder eine Nachrüstung. Es ist ein dreiphasiges System, das unkompliziert in jeden Haushalt installiert werden kann. Dafür sorgt ein ausgeklügeltes System mit intelligentem Energiemanagementsystem und Wechselrichter. Im Komplettpaket bieten wir drei Kapazitäten an: 3,7 Kilowattstunden, 8,3 Kilowattstunden und 13,8 Kilowattstunden. Generell kann man unseren Speicher in Schritten zu je 0,5 Kilowattstunden an die Bedürfnisse der Kunden anpassen.

Welche Technologie verwenden Sie für den Speicher?

Wir haben uns für Lithium-Ionen-Speicher entschieden, weil wir für die Bleitechnologie keine Chance sehen, lange Lebensdauern zu erreichen. Wie die Solaranlage sollte auch der Speicher auf über 20 Jahre ausgelegt sein. Hier sehen wir mit Bleibatterien keine Möglichkeit. Unsere Lithium-Ionen-Zellen haben bis zu 6.000 volle Ladezyklen sehr gute Resultate gezeigt.

Welche Technologie favorisieren Sie konkret?

In unseren Engion-Family-Speichern verwenden wir eine Lithium-Eisenphosphat-Technologie. Da diese Lithium-Technologie kein Kobaltoxid beinhaltet, kommt es nicht zum sogenannten Thermal Runaway Effect. In allen Stufen des Systems haben wir umfangreiche Sicherheitselemente und eine fortlaufende Überwachung integriert. Einzigartig an unserem System ist, dass es sich auch in Zukunft jederzeit erweitern lässt. Normalerweise kann man nur Batteriezellen der gleichen Bauart kombinieren. Unser System erlaubt es, auch die nächste oder übernächste Generation von Lithium-Ionen-Zellen mit dem heutigen System zu kombinieren. Dieses System wurde von uns entwickelt und patentiert und ist so dem Wettbewerb überlegen.

Die Komponenten sind für Erweiterungen ausgelegt?

Ja, das ist ein wichtiger Vorteil dieses Systems. Es lebt mit den Bedürfnissen der Kunden. Es hat auch weitere große Vorteile: Sollte eine Zelle degradieren, so wirkt sich dies nicht auf das Gesamtsystem aus. Auch Updates für die Software sind im Engion-Family-Paket enthalten. In den nächsten Jahren sind größere Innovationen bei Lithium-Ionen-Zellen in der Pipeline. Das System integriert diese Aussichten bereits.

Wer liefert die Energiemanager und Wechselrichter?

Diese Komponenten lassen wir nach unseren Vorgaben fertigen, das sind Eigenentwicklungen. Varta kann in diesem Jahr auf eine 125-jährige Firmengeschichte zurückblicken. Die Varta Micro Gruppe ist ein deutsches Unternehmen mit langer Tradition. Unsere Forscher und Entwickler greifen auf diesen großen Erfahrungsschatz zurück. Für die Solarbranche wollen wir ein Produkt anbieten, das wirklich nachhaltig ist. Bei der Entwicklung können wir uns auf langjährige Erfahrungen aus dem Geschäftsfeld Batteriepacks stützen. Auch die Ergebnisse aus unserem Joint Venture mit Volkswagen, wo wir an der nächsten Generation von Lithium-Ionen-Zellen forschen, nutzen wir. Varta Microbattery ist Weltmarktführer bei Batterien für Hörgeräte, unser Marktanteil beträgt etwa 43 Prozent. Im vergangenen Jahr haben wir eine moderne Fabrik für solche Batterien in Ellwangen aufgebaut. Diese effizienten Fertigungslinien laufen mit hoher Geschwindigkeit und erzielen einen hohen Durchsatz. Wir sind sehr stark im OEM-Geschäft mit Batterien für Server und Medizintechnik vertreten, ebenso in der Systemintegration von Batteriepacks.

Wie werden sich die Preise entwickeln?

Bei Lithium-Ionen-Zellen sind die Preise in den vergangenen Jahren bereits gesunken. Märkte wie zum Beispiel die Elektromobilität mit sehr hohen Stückzahlen können aufgrund von Skaleneffekten zukünftig erheblichen Einfluss auf die Kosten von Lithium-Ionen-Zellen haben und zur Reduzierung beitragen. Die Zellen stellen allerdings auch nur einen Teil der Wertschöpfung in einem Komplettsystem wie dem Engion Family dar. Wie sich zum Beispiel preislich die notwendigen Komponenten für Leistungselektronik, Batterie- und Energiemanagementsysteme entwickeln, ist zum heutigen Zeitpunkt nicht absehbar. Demzufolge wirken sich sinkende Preise von Lithium-Ionen-Zellen nur moderat auf das Gesamtsystem aus.

Welche Preise werden für die Speichersysteme gegenwärtig im Markt gehandelt?

Derzeit investiert ein Endkunde für ein Grundsystem des Engion-Family-Energiespeichers mit 3,7 Kilowattstunden rund 11.800 Euro netto. Dieses ist modular in 0,5-Kilowattstunden-Schritten erweiterbar auf bis zu 13,8 Kilowattstunden.

Wie wird das Engion-Family-System vertrieben?

Hierzu haben wir auf Großhandelsebene mit verschiedenen Vertriebspartnern aus der Energie-, Elektro- und vor allem Solarbranche enge Partnerschaften geschlossen, welche Engion Family dann beispielsweise über von Varta Storage zertifizierte Elektroinstallateure vertreiben.

Kurz erläutert

Thermal Runaway Effect

Aus Erfahrungen beispielsweise bei Laptops oder dem Opel Ampera ist bekannt, dass bestimmte Lithiumzellen dazu neigen, sich zu überhitzen und zu explodieren. Ursache ist der chemische Reaktionsablauf in der Zelle, bei dem Wärme frei wird. Dadurch steigt in ungesicherten Systemen auch der Druck an. Dieser Prozess verstärkt sich unter Umständen selbst, bis die Batterie Feuer fängt. Anfällig sind vor allem Lithium-Ionen-Akkus mit flüssigem oder gebundenem Elektrolyt, wenn es einen internen Kurzschluss zwischen den Elektroden gibt, etwa bei mechanischer Beschädigung. Bei neueren Technologien wie Lithium-Eisenphosphat (LiFePO4) und verbesserten Zellmembranen mit speziellen Keramikbeschichtungen (LiTec) ist diese Gefahr gebannt.

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